Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

wie Wetterleuchten schlug dann durch das Alles der
muthwillige, kecke Scherz hindurch. Zünftig war der
Witz in den Hofnarren geworden, die Zeit hatte den
Fürsten den erhaben geschliffnen Spiegel zugegeben,
aus dem ihr verkleinertes und verschobenes Bild spöt-
tisch sie anlachte, und was unter der Schellenkappe
der freie Geist gestaltete, war als ein bewußtloses
Naturproduct anerkannt. Und dramatisch hatte dieser
Geist in den vielen seltsamen, barocken Festen, den
Narren- und Eselsfeyern sich offenbart, und es hatte
darin die Zeit, die nichts was natürlich und menschlich
zu unterdrücken wußte, auch dem Harlekin im Men-
schen freien Lauf gelassen, und er sprang mit raschen
Sätzen vor, und trieb sein loses Spiel mit, Allem was
auf Ehrwürden Anspruch machen wollte. Er brachte
zum Dank dafür die zahllosen Schwänke und komischen
Erzählungen und in einer Anwandlung von Bitterkeit
und Ernst auch selbst Reinecke Fuchs, jenes große
Weltpanorama, mit, und Alle sind als ein Vermächtniß
dieser Jahrhunderte bis auf uns gekommen. Keine Men-
schenkraft war auf diese Weiße stumm geblieben, Alle spra-
chen, Alle rangen im gemeinsamen Wetteifer, wie die Sän-
ger auf der Wartburg, im Angesichte der Nationen; und es
war ein großer kunstreich verschlungener Tanz, in dem sich
die ganze Generation bewegte, und in eine schöne wunder-

wie Wetterleuchten ſchlug dann durch das Alles der
muthwillige, kecke Scherz hindurch. Zünftig war der
Witz in den Hofnarren geworden, die Zeit hatte den
Fürſten den erhaben geſchliffnen Spiegel zugegeben,
aus dem ihr verkleinertes und verſchobenes Bild ſpöt-
tiſch ſie anlachte, und was unter der Schellenkappe
der freie Geiſt geſtaltete, war als ein bewußtloſes
Naturproduct anerkannt. Und dramatiſch hatte dieſer
Geiſt in den vielen ſeltſamen, barocken Feſten, den
Narren- und Eſelsfeyern ſich offenbart, und es hatte
darin die Zeit, die nichts was natürlich und menſchlich
zu unterdrücken wußte, auch dem Harlekin im Men-
ſchen freien Lauf gelaſſen, und er ſprang mit raſchen
Sätzen vor, und trieb ſein loſes Spiel mit, Allem was
auf Ehrwürden Anſpruch machen wollte. Er brachte
zum Dank dafür die zahlloſen Schwänke und komiſchen
Erzählungen und in einer Anwandlung von Bitterkeit
und Ernſt auch ſelbſt Reinecke Fuchs, jenes große
Weltpanorama, mit, und Alle ſind als ein Vermächtniß
dieſer Jahrhunderte bis auf uns gekommen. Keine Men-
ſchenkraft war auf dieſe Weiße ſtumm geblieben, Alle ſpra-
chen, Alle rangen im gemeinſamen Wetteifer, wie die Sän-
ger auf der Wartburg, im Angeſichte der Nationen; und es
war ein großer kunſtreich verſchlungener Tanz, in dem ſich
die ganze Generation bewegte, und in eine ſchöne wunder-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0313" n="295"/>
wie Wetterleuchten &#x017F;chlug dann durch das Alles der<lb/>
muthwillige, kecke Scherz hindurch. Zünftig war der<lb/>
Witz in den Hofnarren geworden, die Zeit hatte den<lb/>
Für&#x017F;ten den erhaben ge&#x017F;chliffnen Spiegel zugegeben,<lb/>
aus dem ihr verkleinertes und ver&#x017F;chobenes Bild &#x017F;pöt-<lb/>
ti&#x017F;ch &#x017F;ie anlachte, und was unter der Schellenkappe<lb/>
der freie Gei&#x017F;t ge&#x017F;taltete, war als ein bewußtlo&#x017F;es<lb/>
Naturproduct anerkannt. Und dramati&#x017F;ch hatte die&#x017F;er<lb/>
Gei&#x017F;t in den vielen &#x017F;elt&#x017F;amen, barocken Fe&#x017F;ten, den<lb/>
Narren- und E&#x017F;elsfeyern &#x017F;ich offenbart, und es hatte<lb/>
darin die Zeit, die nichts was natürlich und men&#x017F;chlich<lb/>
zu unterdrücken wußte, auch dem Harlekin im Men-<lb/>
&#x017F;chen freien Lauf gela&#x017F;&#x017F;en, und er &#x017F;prang mit ra&#x017F;chen<lb/>
Sätzen vor, und trieb &#x017F;ein lo&#x017F;es Spiel mit, Allem was<lb/>
auf Ehrwürden An&#x017F;pruch machen wollte. Er brachte<lb/>
zum Dank dafür die zahllo&#x017F;en Schwänke und komi&#x017F;chen<lb/>
Erzählungen und in einer Anwandlung von Bitterkeit<lb/>
und Ern&#x017F;t auch &#x017F;elb&#x017F;t Reinecke Fuchs, jenes große<lb/>
Weltpanorama, mit, und Alle &#x017F;ind als ein Vermächtniß<lb/>
die&#x017F;er Jahrhunderte bis auf uns gekommen. Keine Men-<lb/>
&#x017F;chenkraft war auf die&#x017F;e Weiße &#x017F;tumm geblieben, Alle &#x017F;pra-<lb/>
chen, Alle rangen im gemein&#x017F;amen Wetteifer, wie die Sän-<lb/>
ger auf der Wartburg, im Ange&#x017F;ichte der Nationen; und es<lb/>
war ein großer kun&#x017F;treich ver&#x017F;chlungener Tanz, in dem &#x017F;ich<lb/>
die ganze Generation bewegte, und in eine &#x017F;chöne wunder-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0313] wie Wetterleuchten ſchlug dann durch das Alles der muthwillige, kecke Scherz hindurch. Zünftig war der Witz in den Hofnarren geworden, die Zeit hatte den Fürſten den erhaben geſchliffnen Spiegel zugegeben, aus dem ihr verkleinertes und verſchobenes Bild ſpöt- tiſch ſie anlachte, und was unter der Schellenkappe der freie Geiſt geſtaltete, war als ein bewußtloſes Naturproduct anerkannt. Und dramatiſch hatte dieſer Geiſt in den vielen ſeltſamen, barocken Feſten, den Narren- und Eſelsfeyern ſich offenbart, und es hatte darin die Zeit, die nichts was natürlich und menſchlich zu unterdrücken wußte, auch dem Harlekin im Men- ſchen freien Lauf gelaſſen, und er ſprang mit raſchen Sätzen vor, und trieb ſein loſes Spiel mit, Allem was auf Ehrwürden Anſpruch machen wollte. Er brachte zum Dank dafür die zahlloſen Schwänke und komiſchen Erzählungen und in einer Anwandlung von Bitterkeit und Ernſt auch ſelbſt Reinecke Fuchs, jenes große Weltpanorama, mit, und Alle ſind als ein Vermächtniß dieſer Jahrhunderte bis auf uns gekommen. Keine Men- ſchenkraft war auf dieſe Weiße ſtumm geblieben, Alle ſpra- chen, Alle rangen im gemeinſamen Wetteifer, wie die Sän- ger auf der Wartburg, im Angeſichte der Nationen; und es war ein großer kunſtreich verſchlungener Tanz, in dem ſich die ganze Generation bewegte, und in eine ſchöne wunder-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/313
Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/313>, abgerufen am 21.11.2024.