Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

Widersager und versuchte uns, das war ein greuelvoller
Anblick, der uns versinken machte, und wir schielen
nun nach dem Himmel hin, ob der sich nicht erbarmen
mögte. So ist die Hoffart zu Fall gekommen, und so
wird's ewig seyn, bläht euch, treibt euch hohl von
innen auf, ihr gewinnt an Breite wohl, aber alle
Gediegenheit ist hin, und ein Spott der Winde schwankt
ihr ängstlich da: reißt gewaltsam aus dem Leben euch
heraus, es wird euch verlassen, wenn es am nöthigsten
euch thäte, und wenn ihr eben gerüstet sieht zum Kampfe
um Alles und um euere Existenz, dann wird der fatale
Schwindel kommen, und ihr seyd impotent und lahm.

So wäre es daher verständig wohl, nicht ferner
mehr so sehr zu pochen auf das was wir geleistet, und
bey unsern Vätern anzufragen, daß sie in unserm
Misere uns ihren Geist nicht vorenthalten, und uns
erquicken in unserer Noth, mit dem was Gutes und
Schönes sie gebildet: sie sind immer die Nächsten uns,
und werden es uns nicht entgelten lassen, was wir in
den Tagen unseres Stolzes gegen sie verbrochen haben.
Auch das wird uns fernerhin wenig zieren, sie herabzusetzen
so ganz und gar gegen die alte classische Zeit in Griech-
enland; die Griechen mögten sonst, wenn wir so
gar knechtisch von unserm und unserer Väter Naturelle
denken, uns wohl für Heloten nehmen, die sich mit

Widerſager und verſuchte uns, das war ein greuelvoller
Anblick, der uns verſinken machte, und wir ſchielen
nun nach dem Himmel hin, ob der ſich nicht erbarmen
mögte. So iſt die Hoffart zu Fall gekommen, und ſo
wird’s ewig ſeyn, bläht euch, treibt euch hohl von
innen auf, ihr gewinnt an Breite wohl, aber alle
Gediegenheit iſt hin, und ein Spott der Winde ſchwankt
ihr ängſtlich da: reißt gewaltſam aus dem Leben euch
heraus, es wird euch verlaſſen, wenn es am nöthigſten
euch thäte, und wenn ihr eben gerüſtet ſieht zum Kampfe
um Alles und um euere Exiſtenz, dann wird der fatale
Schwindel kommen, und ihr ſeyd impotent und lahm.

So wäre es daher verſtändig wohl, nicht ferner
mehr ſo ſehr zu pochen auf das was wir geleiſtet, und
bey unſern Vätern anzufragen, daß ſie in unſerm
Miſere uns ihren Geiſt nicht vorenthalten, und uns
erquicken in unſerer Noth, mit dem was Gutes und
Schönes ſie gebildet: ſie ſind immer die Nächſten uns,
und werden es uns nicht entgelten laſſen, was wir in
den Tagen unſeres Stolzes gegen ſie verbrochen haben.
Auch das wird uns fernerhin wenig zieren, ſie herabzuſetzen
ſo ganz und gar gegen die alte claſſiſche Zeit in Griech-
enland; die Griechen mögten ſonſt, wenn wir ſo
gar knechtiſch von unſerm und unſerer Väter Naturelle
denken, uns wohl für Heloten nehmen, die ſich mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0318" n="300"/>
Wider&#x017F;ager und ver&#x017F;uchte uns, das war ein greuelvoller<lb/>
Anblick, der uns ver&#x017F;inken machte, und wir &#x017F;chielen<lb/>
nun nach dem Himmel hin, ob der &#x017F;ich nicht erbarmen<lb/>
mögte. So i&#x017F;t die Hoffart zu Fall gekommen, und &#x017F;o<lb/>
wird&#x2019;s ewig &#x017F;eyn, bläht euch, treibt euch hohl von<lb/>
innen auf, ihr gewinnt an Breite wohl, aber alle<lb/>
Gediegenheit i&#x017F;t hin, und ein Spott der Winde &#x017F;chwankt<lb/>
ihr äng&#x017F;tlich da: reißt gewalt&#x017F;am aus dem Leben euch<lb/>
heraus, es wird euch verla&#x017F;&#x017F;en, wenn es am nöthig&#x017F;ten<lb/>
euch thäte, und wenn ihr eben gerü&#x017F;tet &#x017F;ieht zum Kampfe<lb/>
um Alles und um euere Exi&#x017F;tenz, dann wird der fatale<lb/>
Schwindel kommen, und ihr &#x017F;eyd impotent und lahm.</p><lb/>
        <p>So wäre es daher ver&#x017F;tändig wohl, nicht ferner<lb/>
mehr &#x017F;o &#x017F;ehr zu pochen auf das was wir gelei&#x017F;tet, und<lb/>
bey un&#x017F;ern Vätern anzufragen, daß &#x017F;ie in un&#x017F;erm<lb/>
Mi&#x017F;ere uns ihren Gei&#x017F;t nicht vorenthalten, und uns<lb/>
erquicken in un&#x017F;erer Noth, mit dem was Gutes und<lb/>
Schönes &#x017F;ie gebildet: &#x017F;ie &#x017F;ind immer die Näch&#x017F;ten uns,<lb/>
und werden es uns nicht entgelten la&#x017F;&#x017F;en, was wir in<lb/>
den Tagen un&#x017F;eres Stolzes gegen &#x017F;ie verbrochen haben.<lb/>
Auch das wird uns fernerhin wenig zieren, &#x017F;ie herabzu&#x017F;etzen<lb/>
&#x017F;o ganz und gar gegen die alte cla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Zeit in Griech-<lb/>
enland; die Griechen mögten &#x017F;on&#x017F;t, wenn wir &#x017F;o<lb/>
gar knechti&#x017F;ch von un&#x017F;erm und un&#x017F;erer Väter Naturelle<lb/>
denken, uns wohl für Heloten nehmen, die &#x017F;ich mit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[300/0318] Widerſager und verſuchte uns, das war ein greuelvoller Anblick, der uns verſinken machte, und wir ſchielen nun nach dem Himmel hin, ob der ſich nicht erbarmen mögte. So iſt die Hoffart zu Fall gekommen, und ſo wird’s ewig ſeyn, bläht euch, treibt euch hohl von innen auf, ihr gewinnt an Breite wohl, aber alle Gediegenheit iſt hin, und ein Spott der Winde ſchwankt ihr ängſtlich da: reißt gewaltſam aus dem Leben euch heraus, es wird euch verlaſſen, wenn es am nöthigſten euch thäte, und wenn ihr eben gerüſtet ſieht zum Kampfe um Alles und um euere Exiſtenz, dann wird der fatale Schwindel kommen, und ihr ſeyd impotent und lahm. So wäre es daher verſtändig wohl, nicht ferner mehr ſo ſehr zu pochen auf das was wir geleiſtet, und bey unſern Vätern anzufragen, daß ſie in unſerm Miſere uns ihren Geiſt nicht vorenthalten, und uns erquicken in unſerer Noth, mit dem was Gutes und Schönes ſie gebildet: ſie ſind immer die Nächſten uns, und werden es uns nicht entgelten laſſen, was wir in den Tagen unſeres Stolzes gegen ſie verbrochen haben. Auch das wird uns fernerhin wenig zieren, ſie herabzuſetzen ſo ganz und gar gegen die alte claſſiſche Zeit in Griech- enland; die Griechen mögten ſonſt, wenn wir ſo gar knechtiſch von unſerm und unſerer Väter Naturelle denken, uns wohl für Heloten nehmen, die ſich mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/318
Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/318>, abgerufen am 21.11.2024.