Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

eingedrückt; dort weinen die Felsen der Martern wegen,
denen sie Zeugen waren; dort wogt das galiläische
Meer noch, auf dem der Herr umwandelte; dort der
Thabor, Oreb, Sinai, Jordan, Golgatha, das Thal
Mambre, die Wüste, dort die Geburts- und Schädel-
stätte. Zu allen diesen Wunderspuren der neuen Re-
ligion nun noch die der Aeltern; die ganze historisch
religiöse Schaubühne des alten Testamentes, das eben-
fals ganz in diesem Lande und seiner Nähe spielt; da-
zu endlich die Naturwunder der Gegend selbst, die
Wüsten, das todte Meer, der Weg durch Aegypten,
der Nil, ein Paradiesesfluß, und auf dieser zauberrei-
chen Stelle nun die Himmelsinsel in Mitte der irdi-
schen Wüste, und dabei das wilde kräftige Leben, was
in der Gegenwart und der Vergangenheit dort geglüht:
das Alles zusammen mußte jeden ergreifen und begei-
stern, der irgend noch des Enthusiasms fähig war.
Das ist das religiöse Interesse, was in diesem Buche
liegt, aber es hat außer dem Wissenschaftlichen, daß
es über den Zustand von Asien in jener fernen Zeit
uns Aufschlüsse giebt, noch ein drittes Poetisches, das
man zwar bisher wenig beachtete, das aber nichts
destoweniger, wie die Folge ergeben wird, einen gros-
sen Einfluß auf den Gang der romantischen Poesie
gewonnen hat. Montevilla drang zwar, nicht der erste

eingedrückt; dort weinen die Felſen der Martern wegen,
denen ſie Zeugen waren; dort wogt das galiläiſche
Meer noch, auf dem der Herr umwandelte; dort der
Thabor, Oreb, Sinai, Jordan, Golgatha, das Thal
Mambre, die Wüſte, dort die Geburts- und Schädel-
ſtätte. Zu allen dieſen Wunderſpuren der neuen Re-
ligion nun noch die der Aeltern; die ganze hiſtoriſch
religiöſe Schaubühne des alten Teſtamentes, das eben-
fals ganz in dieſem Lande und ſeiner Nähe ſpielt; da-
zu endlich die Naturwunder der Gegend ſelbſt, die
Wüſten, das todte Meer, der Weg durch Aegypten,
der Nil, ein Paradieſesfluß, und auf dieſer zauberrei-
chen Stelle nun die Himmelsinſel in Mitte der irdi-
ſchen Wüſte, und dabei das wilde kräftige Leben, was
in der Gegenwart und der Vergangenheit dort geglüht:
das Alles zuſammen mußte jeden ergreifen und begei-
ſtern, der irgend noch des Enthuſiasms fähig war.
Das iſt das religiöſe Intereſſe, was in dieſem Buche
liegt, aber es hat außer dem Wiſſenſchaftlichen, daß
es über den Zuſtand von Aſien in jener fernen Zeit
uns Aufſchlüſſe giebt, noch ein drittes Poetiſches, das
man zwar bisher wenig beachtete, das aber nichts
deſtoweniger, wie die Folge ergeben wird, einen groſ-
ſen Einfluß auf den Gang der romantiſchen Poeſie
gewonnen hat. Montevilla drang zwar, nicht der erſte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0073" n="55"/>
eingedrückt; dort weinen die Fel&#x017F;en der Martern wegen,<lb/>
denen &#x017F;ie Zeugen waren; dort wogt das galiläi&#x017F;che<lb/>
Meer noch, auf dem der Herr umwandelte; dort der<lb/>
Thabor, Oreb, Sinai, Jordan, Golgatha, das Thal<lb/>
Mambre, die Wü&#x017F;te, dort die Geburts- und Schädel-<lb/>
&#x017F;tätte. Zu allen die&#x017F;en Wunder&#x017F;puren der neuen Re-<lb/>
ligion nun noch die der Aeltern; die ganze hi&#x017F;tori&#x017F;ch<lb/>
religiö&#x017F;e Schaubühne des alten Te&#x017F;tamentes, das eben-<lb/>
fals ganz in die&#x017F;em Lande und &#x017F;einer Nähe &#x017F;pielt; da-<lb/>
zu endlich die Naturwunder der Gegend &#x017F;elb&#x017F;t, die<lb/>&#x017F;ten, das todte Meer, der Weg durch Aegypten,<lb/>
der Nil, ein Paradie&#x017F;esfluß, und auf die&#x017F;er zauberrei-<lb/>
chen Stelle nun die Himmelsin&#x017F;el in Mitte der irdi-<lb/>
&#x017F;chen Wü&#x017F;te, und dabei das wilde kräftige Leben, was<lb/>
in der Gegenwart und der Vergangenheit dort geglüht:<lb/>
das Alles zu&#x017F;ammen mußte jeden ergreifen und begei-<lb/>
&#x017F;tern, der irgend noch des Enthu&#x017F;iasms fähig war.<lb/>
Das i&#x017F;t das religiö&#x017F;e Intere&#x017F;&#x017F;e, was in die&#x017F;em Buche<lb/>
liegt, aber es hat außer dem Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen, daß<lb/>
es über den Zu&#x017F;tand von A&#x017F;ien in jener fernen Zeit<lb/>
uns Auf&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e giebt, noch ein drittes Poeti&#x017F;ches, das<lb/>
man zwar bisher wenig beachtete, das aber nichts<lb/>
de&#x017F;toweniger, wie die Folge ergeben wird, einen gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Einfluß auf den Gang der romanti&#x017F;chen Poe&#x017F;ie<lb/>
gewonnen hat. Montevilla drang zwar, nicht der er&#x017F;te<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0073] eingedrückt; dort weinen die Felſen der Martern wegen, denen ſie Zeugen waren; dort wogt das galiläiſche Meer noch, auf dem der Herr umwandelte; dort der Thabor, Oreb, Sinai, Jordan, Golgatha, das Thal Mambre, die Wüſte, dort die Geburts- und Schädel- ſtätte. Zu allen dieſen Wunderſpuren der neuen Re- ligion nun noch die der Aeltern; die ganze hiſtoriſch religiöſe Schaubühne des alten Teſtamentes, das eben- fals ganz in dieſem Lande und ſeiner Nähe ſpielt; da- zu endlich die Naturwunder der Gegend ſelbſt, die Wüſten, das todte Meer, der Weg durch Aegypten, der Nil, ein Paradieſesfluß, und auf dieſer zauberrei- chen Stelle nun die Himmelsinſel in Mitte der irdi- ſchen Wüſte, und dabei das wilde kräftige Leben, was in der Gegenwart und der Vergangenheit dort geglüht: das Alles zuſammen mußte jeden ergreifen und begei- ſtern, der irgend noch des Enthuſiasms fähig war. Das iſt das religiöſe Intereſſe, was in dieſem Buche liegt, aber es hat außer dem Wiſſenſchaftlichen, daß es über den Zuſtand von Aſien in jener fernen Zeit uns Aufſchlüſſe giebt, noch ein drittes Poetiſches, das man zwar bisher wenig beachtete, das aber nichts deſtoweniger, wie die Folge ergeben wird, einen groſ- ſen Einfluß auf den Gang der romantiſchen Poeſie gewonnen hat. Montevilla drang zwar, nicht der erſte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/73
Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/73>, abgerufen am 18.12.2024.