gereicht, wenn er sich der fremden Landes- art mit Neigung bequemt, deren Sprachge- brauch sich anzueignen trachtet, Gesinnun- gen zu theilen, Sitten aufzunehmen versteht. Man entschuldigt ihn, wenn es ihm auch nur bis auf einen gewissen Grad gelingt, wenn er immer noch an einem eignen Ac- cent, an einer unbezwinglichen Unbiegsam- keit seiner Landsmannschaft als Fremdling kenntlich bleibt. In diesem Sinne möge nun Verzeihung dem Büchlein gewährt seyn! Kenner vergeben mit Einsicht, Liebhaber, weniger gestört durch solche Mängel, neh- men das Dargebotne unbefangen auf.
Damit aber alles was der Reisende zu- rückbringt den Seinigen schneller behage, übernimmt er die Rolle eines Handelsmanns, der seine Waaren gefällig auslegt und sie auf mancherley Weise angenehm zu machen aucht; ankündigende, beschreibende, ja lob- preisende Redensarten wird man ihm nicht verargen.
Zuvörderst also darf unser Dichter wohl aussprechen dass er sich, im Sittlichen und Aesthetischen, Verständlichkeit zur ersten Pflicht gemacht, daher er sich denn auch
gereicht, wenn er sich der fremden Landes- art mit Neigung bequemt, deren Sprachge- brauch sich anzueignen trachtet, Gesinnun- gen zu theilen, Sitten aufzunehmen versteht. Man entschuldigt ihn, wenn es ihm auch nur bis auf einen gewissen Grad gelingt, wenn er immer noch an einem eignen Ac- cent, an einer unbezwinglichen Unbiegsam- keit seiner Landsmannschaft als Fremdling kenntlich bleibt. In diesem Sinne möge nun Verzeihung dem Büchlein gewährt seyn! Kenner vergeben mit Einsicht, Liebhaber, weniger gestört durch solche Mängel, neh- men das Dargebotne unbefangen auf.
Damit aber alles was der Reisende zu- rückbringt den Seinigen schneller behage, übernimmt er die Rolle eines Handelsmanns, der seine Waaren gefällig auslegt und sie auf mancherley Weise angenehm zu machen aucht; ankündigende, beschreibende, ja lob- preisende Redensarten wird man ihm nicht verargen.
Zuvörderst also darf unser Dichter wohl aussprechen daſs er sich, im Sittlichen und Aesthetischen, Verständlichkeit zur ersten Pflicht gemacht, daher er sich denn auch
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[245/0255]
gereicht, wenn er sich der fremden Landes-
art mit Neigung bequemt, deren Sprachge-
brauch sich anzueignen trachtet, Gesinnun-
gen zu theilen, Sitten aufzunehmen versteht.
Man entschuldigt ihn, wenn es ihm auch
nur bis auf einen gewissen Grad gelingt,
wenn er immer noch an einem eignen Ac-
cent, an einer unbezwinglichen Unbiegsam-
keit seiner Landsmannschaft als Fremdling
kenntlich bleibt. In diesem Sinne möge
nun Verzeihung dem Büchlein gewährt seyn!
Kenner vergeben mit Einsicht, Liebhaber,
weniger gestört durch solche Mängel, neh-
men das Dargebotne unbefangen auf.
Damit aber alles was der Reisende zu-
rückbringt den Seinigen schneller behage,
übernimmt er die Rolle eines Handelsmanns,
der seine Waaren gefällig auslegt und sie
auf mancherley Weise angenehm zu machen
aucht; ankündigende, beschreibende, ja lob-
preisende Redensarten wird man ihm nicht
verargen.
Zuvörderst also darf unser Dichter wohl
aussprechen daſs er sich, im Sittlichen und
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/255>, abgerufen am 22.12.2024.
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