bestätigen sollte, um sowohl für den Hohen- priester, Bischoff oder Papst in geistlichen, als auch höchsten Prinzen in weltlichen Dingen erkannt zu werden."
Behält man diese Ansicht fest im Auge, so kann man es dem Muselmann nicht ver- argen, wenn er die Zeit vor Mahomet die Zeit der Unwissenheit benennt, und völlig überzeugt ist dass mit dem Islam Erleuch- tung und Weisheit erst beginne. Der Styl des Korans ist seinem Inhalt und Zweck gemäss: streng, gross, furchtbar, stellenweis wahrhaft erhaben; so treibt ein Keil den andern und darf sich über die grosse Wirk- samkeit des Buches niemand verwundern. Wesshalb es denn auch von den ächten Ver- ehrern für unerschaffen und mit Gott gleich ewig erklärt wurde. Demohngeachtet aber fanden sich gute Köpfe, die eine bessere Dicht- und Schreibart der Vorzeit aner- kannten und behaupteten: dass, wenn es Gott nicht gefallen hätte durch Mahomet auf einmal seinen Willen und eine entschie- den gesetzliche Bildung zu offenbaren, die Araber nach und nach von selbst eine sol- che Stufe, und eine noch höhere würden
bestätigen sollte, um sowohl für den Hohen- priester, Bischoff oder Papst in geistlichen, als auch höchsten Prinzen in weltlichen Dingen erkannt zu werden.“
Behält man diese Ansicht fest im Auge, so kann man es dem Muselmann nicht ver- argen, wenn er die Zeit vor Mahomet die Zeit der Unwissenheit benennt, und völlig überzeugt ist daſs mit dem Islam Erleuch- tung und Weisheit erst beginne. Der Styl des Korans ist seinem Inhalt und Zweck gemäſs: streng, groſs, furchtbar, stellenweis wahrhaft erhaben; so treibt ein Keil den andern und darf ſich über die groſse Wirk- samkeit des Buches niemand verwundern. Weſshalb es denn auch von den ächten Ver- ehrern für unerschaffen und mit Gott gleich ewig erklärt wurde. Demohngeachtet aber fanden ſich gute Köpfe, die eine bessere Dicht- und Schreibart der Vorzeit aner- kannten und behaupteten: daſs, wenn es Gott nicht gefallen hätte durch Mahomet auf einmal seinen Willen und eine entschie- den gesetzliche Bildung zu offenbaren, die Araber nach und nach von selbst eine sol- che Stufe, und eine noch höhere würden
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bestätigen sollte, um sowohl für den Hohen-
priester, Bischoff oder Papst in geistlichen,
als auch höchsten Prinzen in weltlichen
Dingen erkannt zu werden.“
Behält man diese Ansicht fest im Auge,
so kann man es dem Muselmann nicht ver-
argen, wenn er die Zeit vor Mahomet die
Zeit der Unwissenheit benennt, und völlig
überzeugt ist daſs mit dem Islam Erleuch-
tung und Weisheit erst beginne. Der Styl
des Korans ist seinem Inhalt und Zweck
gemäſs: streng, groſs, furchtbar, stellenweis
wahrhaft erhaben; so treibt ein Keil den
andern und darf ſich über die groſse Wirk-
samkeit des Buches niemand verwundern.
Weſshalb es denn auch von den ächten Ver-
ehrern für unerschaffen und mit Gott gleich
ewig erklärt wurde. Demohngeachtet aber
fanden ſich gute Köpfe, die eine bessere
Dicht- und Schreibart der Vorzeit aner-
kannten und behaupteten: daſs, wenn es
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auf einmal seinen Willen und eine entschie-
den gesetzliche Bildung zu offenbaren, die
Araber nach und nach von selbst eine sol-
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/294>, abgerufen am 22.12.2024.
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