Stufe der Heiligkeit und Seligkeit, begün- stigen.
Auch selbst eine reinere Vielgötterey, wie die der Griechen und Römer, musste doch zuletzt auf falschem Wege ihre Beken- ner und sich selbst verlieren. Dagegen ge- bührt der christlichen das höchste Lob, deren reiner, edler Ursprung sich immerfort dadurch bethätigt, dass nach den grössten Verirrungen, in welche sie der dunkle Mensch hinein zog, eh man sichs versieht sie sich in ihrer ersten lieblichen Eigen- thümlichkeit, als Mission, als Hausgenos- sen- und Brüderschaft, zu Erquickung des sittlichen Menschenbedürnisses, immer wie- der hervorthut.
Billigen wir nun den Eifer des Götzen- stürmers Mahmud, so gönnen wir ihm die zu gleicher Zeit gewonnenen unendlichen Schätze, und verehren besonders in ihm den Stifter persischer Dichtkunst und höherer Kultur. Er, selbst aus persischem Stamme, liess sich nicht etwa in die Beschräncktheit der Araber hineinziehen, er fühlte gar wohl dass der schönste Grund und Boden für Religion in der Nationalität zu finden
Stufe der Heiligkeit und Seligkeit, begün- stigen.
Auch selbst eine reinere Vielgötterey, wie die der Griechen und Römer, muſste doch zuletzt auf falschem Wege ihre Beken- ner und sich selbst verlieren. Dagegen ge- bührt der christlichen das höchste Lob, deren reiner, edler Ursprung sich immerfort dadurch bethätigt, daſs nach den gröſsten Verirrungen, in welche sie der dunkle Mensch hinein zog, eh man sichs versieht sie sich in ihrer ersten lieblichen Eigen- thümlichkeit, als Mission, als Hausgenos- sen- und Brüderschaft, zu Erquickung des sittlichen Menschenbedürnisses, immer wie- der hervorthut.
Billigen wir nun den Eifer des Götzen- stürmers Mahmud, so gönnen wir ihm die zu gleicher Zeit gewonnenen unendlichen Schätze, und verehren besonders in ihm den Stifter persischer Dichtkunst und höherer Kultur. Er, selbst aus persischem Stamme, lieſs sich nicht etwa in die Beschräncktheit der Araber hineinziehen, er fühlte gar wohl daſs der schönste Grund und Boden für Religion in der Nationalität zu finden
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0305"n="295"/>
Stufe der Heiligkeit und Seligkeit, begün-<lb/>
stigen.</p><lb/><p>Auch selbst eine reinere Vielgötterey,<lb/>
wie die der Griechen und Römer, muſste<lb/>
doch zuletzt auf falschem Wege ihre Beken-<lb/>
ner und sich selbst verlieren. Dagegen ge-<lb/>
bührt der christlichen das höchste Lob,<lb/>
deren reiner, edler Ursprung sich immerfort<lb/>
dadurch bethätigt, daſs nach den gröſsten<lb/>
Verirrungen, in welche sie der dunkle<lb/>
Mensch hinein zog, eh man sichs versieht<lb/>
sie sich in ihrer ersten lieblichen Eigen-<lb/>
thümlichkeit, als Mission, als Hausgenos-<lb/>
sen- und Brüderschaft, zu Erquickung des<lb/>
sittlichen Menschenbedürnisses, immer wie-<lb/>
der hervorthut.</p><lb/><p>Billigen wir nun den Eifer des Götzen-<lb/>
stürmers Mahmud, so gönnen wir ihm die<lb/>
zu gleicher Zeit gewonnenen unendlichen<lb/>
Schätze, und verehren besonders in ihm den<lb/>
Stifter persischer Dichtkunst und höherer<lb/>
Kultur. Er, selbst aus persischem Stamme,<lb/>
lieſs sich nicht etwa in die Beschräncktheit<lb/>
der Araber hineinziehen, er fühlte gar<lb/>
wohl daſs der schönste Grund und Boden<lb/>
für Religion in der Nationalität zu finden<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[295/0305]
Stufe der Heiligkeit und Seligkeit, begün-
stigen.
Auch selbst eine reinere Vielgötterey,
wie die der Griechen und Römer, muſste
doch zuletzt auf falschem Wege ihre Beken-
ner und sich selbst verlieren. Dagegen ge-
bührt der christlichen das höchste Lob,
deren reiner, edler Ursprung sich immerfort
dadurch bethätigt, daſs nach den gröſsten
Verirrungen, in welche sie der dunkle
Mensch hinein zog, eh man sichs versieht
sie sich in ihrer ersten lieblichen Eigen-
thümlichkeit, als Mission, als Hausgenos-
sen- und Brüderschaft, zu Erquickung des
sittlichen Menschenbedürnisses, immer wie-
der hervorthut.
Billigen wir nun den Eifer des Götzen-
stürmers Mahmud, so gönnen wir ihm die
zu gleicher Zeit gewonnenen unendlichen
Schätze, und verehren besonders in ihm den
Stifter persischer Dichtkunst und höherer
Kultur. Er, selbst aus persischem Stamme,
lieſs sich nicht etwa in die Beschräncktheit
der Araber hineinziehen, er fühlte gar
wohl daſs der schönste Grund und Boden
für Religion in der Nationalität zu finden
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/305>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.