Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

fördernde Antwort. Diese seine Briefe ver-
dienten gar wohl wegen ihres Gehalts ge-
druckt und als ein Denkmal seiner Kennt-
nisse und seines Wohlwollens aufgestellt
zu werden. Da ich seine strenge und ei-
gene Gemüthsart kannte, so hütete ich mich
ihn von gewisser Seite zu berühren; doch
war er gefällig genug, ganz gegen seine
Denkweise, als ich den Charakter des
Nussreddin Chodscha, des lustigen
Reise- und Zeltgefährten des Welteroberers
Timur, zu kennen wünschte, mir einige
jener Anecdoten zu übersetzen. Woraus
denn abermal hervorging, dass gar manche
verfängliche Mährchen, welche die West-
länder nach ihrer Weise behandelt, sich
vom Orient herschreiben, jedoch die ei-
gentliche Farbe, den wahren angemessenen
Ton bey der Umbildung meistentheils ver-
loren.

Da von diesem Buche das Manuscript
sich nun auf der Königlichen Bibliothek
zu Berlin befindet, wäre es sehr zu wün-
schen dass ein Meister dieses Faches uns
eine Uebersetzung gäbe. Vielleicht wäre
sie in lateinischer Sprache am füglichsten

fördernde Antwort. Diese seine Briefe ver-
dienten gar wohl wegen ihres Gehalts ge-
druckt und als ein Denkmal seiner Kennt-
nisse und seines Wohlwollens aufgestellt
zu werden. Da ich seine strenge und ei-
gene Gemüthsart kannte, so hütete ich mich
ihn von gewisser Seite zu berühren; doch
war er gefällig genug, ganz gegen seine
Denkweise, als ich den Charakter des
Nuſsreddin Chodscha, des lustigen
Reise- und Zeltgefährten des Welteroberers
Timur, zu kennen wünschte, mir einige
jener Anecdoten zu übersetzen. Woraus
denn abermal hervorging, daſs gar manche
verfängliche Mährchen, welche die West-
länder nach ihrer Weise behandelt, sich
vom Orient herschreiben, jedoch die ei-
gentliche Farbe, den wahren angemessenen
Ton bey der Umbildung meistentheils ver-
loren.

Da von diesem Buche das Manuscript
sich nun auf der Königlichen Bibliothek
zu Berlin befindet, wäre es sehr zu wün-
schen daſs ein Meister dieses Faches uns
eine Uebersetzung gäbe. Vielleicht wäre
sie in lateinischer Sprache am füglichsten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0522" n="512"/>
fördernde Antwort. Diese seine Briefe ver-<lb/>
dienten gar wohl wegen ihres Gehalts ge-<lb/>
druckt und als ein Denkmal seiner Kennt-<lb/>
nisse und seines Wohlwollens aufgestellt<lb/>
zu werden. Da ich seine strenge und ei-<lb/>
gene Gemüthsart kannte, so hütete ich mich<lb/>
ihn von gewisser Seite zu berühren; doch<lb/>
war er gefällig genug, ganz gegen seine<lb/>
Denkweise, als ich den Charakter des<lb/><hi rendition="#g">Nu&#x017F;sreddin Chodscha</hi>, des lustigen<lb/>
Reise- und Zeltgefährten des Welteroberers<lb/>
Timur, zu kennen wünschte, mir einige<lb/>
jener Anecdoten zu übersetzen. Woraus<lb/>
denn abermal hervorging, da&#x017F;s gar manche<lb/>
verfängliche Mährchen, welche die West-<lb/>
länder nach ihrer Weise behandelt, sich<lb/>
vom Orient herschreiben, jedoch die ei-<lb/>
gentliche Farbe, den wahren angemessenen<lb/>
Ton bey der Umbildung meistentheils ver-<lb/>
loren.</p><lb/>
          <p>Da von diesem Buche das Manuscript<lb/>
sich nun auf der Königlichen Bibliothek<lb/>
zu Berlin befindet, wäre es sehr zu wün-<lb/>
schen da&#x017F;s ein Meister dieses Faches uns<lb/>
eine Uebersetzung gäbe. Vielleicht wäre<lb/>
sie in lateinischer Sprache am füglichsten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[512/0522] fördernde Antwort. Diese seine Briefe ver- dienten gar wohl wegen ihres Gehalts ge- druckt und als ein Denkmal seiner Kennt- nisse und seines Wohlwollens aufgestellt zu werden. Da ich seine strenge und ei- gene Gemüthsart kannte, so hütete ich mich ihn von gewisser Seite zu berühren; doch war er gefällig genug, ganz gegen seine Denkweise, als ich den Charakter des Nuſsreddin Chodscha, des lustigen Reise- und Zeltgefährten des Welteroberers Timur, zu kennen wünschte, mir einige jener Anecdoten zu übersetzen. Woraus denn abermal hervorging, daſs gar manche verfängliche Mährchen, welche die West- länder nach ihrer Weise behandelt, sich vom Orient herschreiben, jedoch die ei- gentliche Farbe, den wahren angemessenen Ton bey der Umbildung meistentheils ver- loren. Da von diesem Buche das Manuscript sich nun auf der Königlichen Bibliothek zu Berlin befindet, wäre es sehr zu wün- schen daſs ein Meister dieses Faches uns eine Uebersetzung gäbe. Vielleicht wäre sie in lateinischer Sprache am füglichsten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/522
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/522>, abgerufen am 22.12.2024.