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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

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nun auch meistens auf ähnliche Behandlung
orientalischer Meisterwerke, bey welchen
vorzüglich die Annäherung an äussere Form
zu empfehlen ist. Wie unendlich vortheil-
hafter zeigen sich die Stellen einer Ueber-
setzung des Firdusi, welche uns genannter
Freund geliefert, gegen diejenigen eines
Umarbeiters, wovon einiges in den Fund-
gruben zu lesen ist. Diese Art einen Dich-
ter umzubilden halten wir für den traurig-
sten Missgriff den ein fleissiger, dem Ge-
schäft übrigens gewachsener Uebersetzer
thun könnte.

Da aber bey jeder Literatur jene drey
Epochen sich wiederholen, umkehren, ja
die Behandlungsarten sich gleichzeitig aus-
üben lassen; so wäre jetzt eine prosaische
Uebersetzung des Schahname und der Werke
des Nisami immer noch am Platz. Man
benutzte sie zur überhineilenden, den Haupt-
sinn aufschliessenden Lectür, wir erfreuten
uns am Geschichtlichen, Fabelhaften, Ethi-
schen im Allgemeinen und vertrauten uns
immer näher mit den Gesinnungen und

Die von Hammerschen Arbeiten deuten
nun auch meistens auf ähnliche Behandlung
orientalischer Meisterwerke, bey welchen
vorzüglich die Annäherung an äuſsere Form
zu empfehlen ist. Wie unendlich vortheil-
hafter zeigen sich die Stellen einer Ueber-
setzung des Firdusi, welche uns genannter
Freund geliefert, gegen diejenigen eines
Umarbeiters, wovon einiges in den Fund-
gruben zu lesen ist. Diese Art einen Dich-
ter umzubilden halten wir für den traurig-
sten Miſsgriff den ein fleiſsiger, dem Ge-
schäft übrigens gewachsener Uebersetzer
thun könnte.

Da aber bey jeder Literatur jene drey
Epochen sich wiederholen, umkehren, ja
die Behandlungsarten sich gleichzeitig aus-
üben lassen; so wäre jetzt eine prosaische
Uebersetzung des Schahname und der Werke
des Nisami immer noch am Platz. Man
benutzte sie zur überhineilenden, den Haupt-
sinn aufschlieſsenden Lectür, wir erfreuten
uns am Geschichtlichen, Fabelhaften, Ethi-
schen im Allgemeinen und vertrauten uns
immer näher mit den Gesinnungen und

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[530/0540] Die von Hammerschen Arbeiten deuten nun auch meistens auf ähnliche Behandlung orientalischer Meisterwerke, bey welchen vorzüglich die Annäherung an äuſsere Form zu empfehlen ist. Wie unendlich vortheil- hafter zeigen sich die Stellen einer Ueber- setzung des Firdusi, welche uns genannter Freund geliefert, gegen diejenigen eines Umarbeiters, wovon einiges in den Fund- gruben zu lesen ist. Diese Art einen Dich- ter umzubilden halten wir für den traurig- sten Miſsgriff den ein fleiſsiger, dem Ge- schäft übrigens gewachsener Uebersetzer thun könnte. Da aber bey jeder Literatur jene drey Epochen sich wiederholen, umkehren, ja die Behandlungsarten sich gleichzeitig aus- üben lassen; so wäre jetzt eine prosaische Uebersetzung des Schahname und der Werke des Nisami immer noch am Platz. Man benutzte sie zur überhineilenden, den Haupt- sinn aufschlieſsenden Lectür, wir erfreuten uns am Geschichtlichen, Fabelhaften, Ethi- schen im Allgemeinen und vertrauten uns immer näher mit den Gesinnungen und

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/540>, abgerufen am 28.05.2024.