Denkweisen, bis wir uns endlich damit völlig verbrüdern könnten.
Man erinnere sich des entschiedensten Beyfalls den wir Deutschen einer solchen Uebersetzung der Sakontala gezollt, und wir können das Glück was sie gemacht gar wohl jener allgemeinen Prosa zuschrei- ben, in welche das Gedicht aufgelöst wor- den. Nun aber wär' es an der Zeit uns davon eine Uebersetzung der dritten Art zu geben, die den verschiedenen Dialecten, rhythmischen, metrischen und prosaischen Sprachweisen des Originals entspräche und uns dieses Gedicht in seiner ganzen Eigen- thümlichkeit aufs neue erfreulich und ein- heimisch machte. Da nun in Paris eine Handschrift dieses ewigen Werkes befind- lich, so könnte ein dort hausender Deut- scher sich um uns ein unsterblich Verdienst durch solche Arbeit erwerben.
Der englische Uebersetzer des Wolken- boten, Megadhuta, ist gleichfalls aller Ehren werth, denn die erste Bekanntschaft mit einem solchen Werke macht immer Epoche in unserem Leben. Aber seine Uebersetzung ist eigentlich aus der zwey-
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Denkweisen, bis wir uns endlich damit völlig verbrüdern könnten.
Man erinnere sich des entschiedensten Beyfalls den wir Deutschen einer solchen Uebersetzung der Sakontala gezollt, und wir können das Glück was sie gemacht gar wohl jener allgemeinen Prosa zuschrei- ben, in welche das Gedicht aufgelöst wor- den. Nun aber wär’ es an der Zeit uns davon eine Uebersetzung der dritten Art zu geben, die den verschiedenen Dialecten, rhythmischen, metrischen und prosaischen Sprachweisen des Originals entspräche und uns dieses Gedicht in seiner ganzen Eigen- thümlichkeit aufs neue erfreulich und ein- heimisch machte. Da nun in Paris eine Handschrift dieses ewigen Werkes befind- lich, so könnte ein dort hausender Deut- scher sich um uns ein unsterblich Verdienst durch solche Arbeit erwerben.
Der englische Uebersetzer des Wolken- boten, Megadhuta, ist gleichfalls aller Ehren werth, denn die erste Bekanntschaft mit einem solchen Werke macht immer Epoche in unserem Leben. Aber seine Uebersetzung ist eigentlich aus der zwey-
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Denkweisen, bis wir uns endlich damit
völlig verbrüdern könnten.
Man erinnere sich des entschiedensten
Beyfalls den wir Deutschen einer solchen
Uebersetzung der Sakontala gezollt, und
wir können das Glück was sie gemacht
gar wohl jener allgemeinen Prosa zuschrei-
ben, in welche das Gedicht aufgelöst wor-
den. Nun aber wär’ es an der Zeit uns
davon eine Uebersetzung der dritten Art
zu geben, die den verschiedenen Dialecten,
rhythmischen, metrischen und prosaischen
Sprachweisen des Originals entspräche und
uns dieses Gedicht in seiner ganzen Eigen-
thümlichkeit aufs neue erfreulich und ein-
heimisch machte. Da nun in Paris eine
Handschrift dieses ewigen Werkes befind-
lich, so könnte ein dort hausender Deut-
scher sich um uns ein unsterblich Verdienst
durch solche Arbeit erwerben.
Der englische Uebersetzer des Wolken-
boten, Megadhuta, ist gleichfalls aller
Ehren werth, denn die erste Bekanntschaft
mit einem solchen Werke macht immer
Epoche in unserem Leben. Aber seine
Uebersetzung ist eigentlich aus der zwey-
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/541>, abgerufen am 28.05.2024.
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