keit; das Glas wird aber bis ins Unendliche sich ver- dunkeln, obwohl für unsre Augen nicht sichtbar. Eine solche Dunkelheit können eben sowohl die einzelnen durchsichtigen Farben erreichen, so daß Schwarz da- gegen nur wie ein schmutziger Fleck erscheint.
17) Wenn wir ein solches durchsichtiges Product der drey durchsichtigen Farben auf die Weise verdün- nen und das Licht durchscheinen ließen, so wird es auch eine Art Grau geben, die aber sehr verschieden von der Mischung der drey undurchsichtigen Farben seyn würde.
18) Die Helligkeit an einem klaren Himmel bey Sonnenaufgang dicht um die Sonne herum, oder vor der Sonne her kann so groß seyn, daß wir sie kaum ertragen können. Wenn wir nun von dieser dort vor- kommenden farblosen Klarheit, als einem Product von den drey Farben auf diese schließen wollten, so wür- den diese so hell seyn müssen, und so sehr über un- sere Kräfte weggerückt, daß sie für uns dasselbe Ge- heimniß blieben, wie die in der Dunkelheit versunke- nen.
19) Nun merken wir aber auch, daß die Hel- ligkeit oder Dunkelheit nicht in den Vergleich oder Verhältniß zu den durchsichtigen Farben zu setzen sey, wie das Schwarz und Weiß zu den undurchsichtigen. Sie ist vielmehr eine Eigenschaft und eins mit der Klarheit und mit der Farbe. Man stelle sich einen reinen Rubin vor, so dick oder so dünn man will, so ist das Roth eins und dasselbe, und ist also nur ein durchsichtiges Roth, welches hell oder dunkel wird, je
keit; das Glas wird aber bis ins Unendliche ſich ver- dunkeln, obwohl fuͤr unſre Augen nicht ſichtbar. Eine ſolche Dunkelheit koͤnnen eben ſowohl die einzelnen durchſichtigen Farben erreichen, ſo daß Schwarz da- gegen nur wie ein ſchmutziger Fleck erſcheint.
17) Wenn wir ein ſolches durchſichtiges Product der drey durchſichtigen Farben auf die Weiſe verduͤn- nen und das Licht durchſcheinen ließen, ſo wird es auch eine Art Grau geben, die aber ſehr verſchieden von der Miſchung der drey undurchſichtigen Farben ſeyn wuͤrde.
18) Die Helligkeit an einem klaren Himmel bey Sonnenaufgang dicht um die Sonne herum, oder vor der Sonne her kann ſo groß ſeyn, daß wir ſie kaum ertragen koͤnnen. Wenn wir nun von dieſer dort vor- kommenden farbloſen Klarheit, als einem Product von den drey Farben auf dieſe ſchließen wollten, ſo wuͤr- den dieſe ſo hell ſeyn muͤſſen, und ſo ſehr uͤber un- ſere Kraͤfte weggeruͤckt, daß ſie fuͤr uns daſſelbe Ge- heimniß blieben, wie die in der Dunkelheit verſunke- nen.
19) Nun merken wir aber auch, daß die Hel- ligkeit oder Dunkelheit nicht in den Vergleich oder Verhaͤltniß zu den durchſichtigen Farben zu ſetzen ſey, wie das Schwarz und Weiß zu den undurchſichtigen. Sie iſt vielmehr eine Eigenſchaft und eins mit der Klarheit und mit der Farbe. Man ſtelle ſich einen reinen Rubin vor, ſo dick oder ſo duͤnn man will, ſo iſt das Roth eins und daſſelbe, und iſt alſo nur ein durchſichtiges Roth, welches hell oder dunkel wird, je
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0401"n="347"/>
keit; das Glas wird aber bis ins Unendliche ſich ver-<lb/>
dunkeln, obwohl fuͤr unſre Augen nicht ſichtbar. Eine<lb/>ſolche Dunkelheit koͤnnen eben ſowohl die einzelnen<lb/>
durchſichtigen Farben erreichen, ſo daß Schwarz da-<lb/>
gegen nur wie ein ſchmutziger Fleck erſcheint.</p><lb/><p>17) Wenn wir ein ſolches durchſichtiges Product<lb/>
der drey durchſichtigen Farben auf die Weiſe verduͤn-<lb/>
nen und das Licht durchſcheinen ließen, ſo wird es<lb/>
auch eine Art Grau geben, die aber ſehr verſchieden<lb/>
von der Miſchung der drey undurchſichtigen Farben<lb/>ſeyn wuͤrde.</p><lb/><p>18) Die Helligkeit an einem klaren Himmel bey<lb/>
Sonnenaufgang dicht um die Sonne herum, oder vor<lb/>
der Sonne her kann ſo groß ſeyn, daß wir ſie kaum<lb/>
ertragen koͤnnen. Wenn wir nun von dieſer dort vor-<lb/>
kommenden farbloſen Klarheit, als einem Product von<lb/>
den drey Farben auf dieſe ſchließen wollten, ſo wuͤr-<lb/>
den dieſe ſo hell ſeyn muͤſſen, und ſo ſehr uͤber un-<lb/>ſere Kraͤfte weggeruͤckt, daß ſie fuͤr uns daſſelbe Ge-<lb/>
heimniß blieben, wie die in der Dunkelheit verſunke-<lb/>
nen.</p><lb/><p>19) Nun merken wir aber auch, daß die Hel-<lb/>
ligkeit oder Dunkelheit nicht in den Vergleich oder<lb/>
Verhaͤltniß zu den durchſichtigen Farben zu ſetzen ſey,<lb/>
wie das Schwarz und Weiß zu den undurchſichtigen.<lb/>
Sie iſt vielmehr eine Eigenſchaft und eins mit der<lb/>
Klarheit und mit der Farbe. Man ſtelle ſich einen<lb/>
reinen Rubin vor, ſo dick oder ſo duͤnn man will, ſo<lb/>
iſt das Roth eins und daſſelbe, und iſt alſo nur ein<lb/>
durchſichtiges Roth, welches hell oder dunkel wird, je<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[347/0401]
keit; das Glas wird aber bis ins Unendliche ſich ver-
dunkeln, obwohl fuͤr unſre Augen nicht ſichtbar. Eine
ſolche Dunkelheit koͤnnen eben ſowohl die einzelnen
durchſichtigen Farben erreichen, ſo daß Schwarz da-
gegen nur wie ein ſchmutziger Fleck erſcheint.
17) Wenn wir ein ſolches durchſichtiges Product
der drey durchſichtigen Farben auf die Weiſe verduͤn-
nen und das Licht durchſcheinen ließen, ſo wird es
auch eine Art Grau geben, die aber ſehr verſchieden
von der Miſchung der drey undurchſichtigen Farben
ſeyn wuͤrde.
18) Die Helligkeit an einem klaren Himmel bey
Sonnenaufgang dicht um die Sonne herum, oder vor
der Sonne her kann ſo groß ſeyn, daß wir ſie kaum
ertragen koͤnnen. Wenn wir nun von dieſer dort vor-
kommenden farbloſen Klarheit, als einem Product von
den drey Farben auf dieſe ſchließen wollten, ſo wuͤr-
den dieſe ſo hell ſeyn muͤſſen, und ſo ſehr uͤber un-
ſere Kraͤfte weggeruͤckt, daß ſie fuͤr uns daſſelbe Ge-
heimniß blieben, wie die in der Dunkelheit verſunke-
nen.
19) Nun merken wir aber auch, daß die Hel-
ligkeit oder Dunkelheit nicht in den Vergleich oder
Verhaͤltniß zu den durchſichtigen Farben zu ſetzen ſey,
wie das Schwarz und Weiß zu den undurchſichtigen.
Sie iſt vielmehr eine Eigenſchaft und eins mit der
Klarheit und mit der Farbe. Man ſtelle ſich einen
reinen Rubin vor, ſo dick oder ſo duͤnn man will, ſo
iſt das Roth eins und daſſelbe, und iſt alſo nur ein
durchſichtiges Roth, welches hell oder dunkel wird, je
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/401>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.