hier wie dort vernachlässigte Hauptpunkt ist dieser: daß die verschiedenen Farben des Spectrums an Hellung ungleich sind. Denn das prismatische Sonnenbild zer- fällt in zwey Theile, in eine Tag- und Nachtseite. Gelb und Gelbroth stehen auf der ersten, Blau und Blauroth auf der zweyten. Die unterliegende Druck- schrift ist in der gelben Farbe am deutlichsten; im Gelbrothen weniger: denn dieses ist schon gedrängter und dunkler. Blauroth ist durchsichtig, verdünnt, aber beleuchtet wenig. Blau ist gedrängter, dichter, macht die Buchstaben trüber; oder vielmehr seine Trübe verwandelt die Schwärze der Buchstaben in ein schönes Blau, deswegen sie vom Grunde weniger ab- stechen. Und so erscheint, nach Maßgabe so verschie- dener Wirkungen, diese farbig beleuchtete Schrift, dieses Vorbild, an verschiedenen Stellen verschieden deutlich.
171.
Außer diesen Mängeln des hervorgebrachten Bil- des ist die Newtonische Vorrichtung in mehr als einem Sinne unbequem. Wir haben daher eine neue ersonnen, die in folgendem besteht. Wir nehmen einen Rahmen, der zu unserm Gestelle (69) paßt, überzie- hen denselben mit Seidenpapier, worauf wir mit starker Tusche verschiedene Züge, Punkte und dergl. calligraphisch anbringen, und sodann den Grund mit feinem Oel durchsichtig machen. Diese Tafel kommt völlig an die Stelle des Vorbildes zum zweyten Ver- suche. Das prismatische Bild wird von hinten dar-
hier wie dort vernachlaͤſſigte Hauptpunkt iſt dieſer: daß die verſchiedenen Farben des Spectrums an Hellung ungleich ſind. Denn das prismatiſche Sonnenbild zer- faͤllt in zwey Theile, in eine Tag- und Nachtſeite. Gelb und Gelbroth ſtehen auf der erſten, Blau und Blauroth auf der zweyten. Die unterliegende Druck- ſchrift iſt in der gelben Farbe am deutlichſten; im Gelbrothen weniger: denn dieſes iſt ſchon gedraͤngter und dunkler. Blauroth iſt durchſichtig, verduͤnnt, aber beleuchtet wenig. Blau iſt gedraͤngter, dichter, macht die Buchſtaben truͤber; oder vielmehr ſeine Truͤbe verwandelt die Schwaͤrze der Buchſtaben in ein ſchoͤnes Blau, deswegen ſie vom Grunde weniger ab- ſtechen. Und ſo erſcheint, nach Maßgabe ſo verſchie- dener Wirkungen, dieſe farbig beleuchtete Schrift, dieſes Vorbild, an verſchiedenen Stellen verſchieden deutlich.
171.
Außer dieſen Maͤngeln des hervorgebrachten Bil- des iſt die Newtoniſche Vorrichtung in mehr als einem Sinne unbequem. Wir haben daher eine neue erſonnen, die in folgendem beſteht. Wir nehmen einen Rahmen, der zu unſerm Geſtelle (69) paßt, uͤberzie- hen denſelben mit Seidenpapier, worauf wir mit ſtarker Tuſche verſchiedene Zuͤge, Punkte und dergl. calligraphiſch anbringen, und ſodann den Grund mit feinem Oel durchſichtig machen. Dieſe Tafel kommt voͤllig an die Stelle des Vorbildes zum zweyten Ver- ſuche. Das prismatiſche Bild wird von hinten dar-
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[455/0509]
hier wie dort vernachlaͤſſigte Hauptpunkt iſt dieſer: daß
die verſchiedenen Farben des Spectrums an Hellung
ungleich ſind. Denn das prismatiſche Sonnenbild zer-
faͤllt in zwey Theile, in eine Tag- und Nachtſeite.
Gelb und Gelbroth ſtehen auf der erſten, Blau und
Blauroth auf der zweyten. Die unterliegende Druck-
ſchrift iſt in der gelben Farbe am deutlichſten; im
Gelbrothen weniger: denn dieſes iſt ſchon gedraͤngter
und dunkler. Blauroth iſt durchſichtig, verduͤnnt,
aber beleuchtet wenig. Blau iſt gedraͤngter, dichter,
macht die Buchſtaben truͤber; oder vielmehr ſeine
Truͤbe verwandelt die Schwaͤrze der Buchſtaben in ein
ſchoͤnes Blau, deswegen ſie vom Grunde weniger ab-
ſtechen. Und ſo erſcheint, nach Maßgabe ſo verſchie-
dener Wirkungen, dieſe farbig beleuchtete Schrift,
dieſes Vorbild, an verſchiedenen Stellen verſchieden
deutlich.
171.
Außer dieſen Maͤngeln des hervorgebrachten Bil-
des iſt die Newtoniſche Vorrichtung in mehr als
einem Sinne unbequem. Wir haben daher eine neue
erſonnen, die in folgendem beſteht. Wir nehmen einen
Rahmen, der zu unſerm Geſtelle (69) paßt, uͤberzie-
hen denſelben mit Seidenpapier, worauf wir mit
ſtarker Tuſche verſchiedene Zuͤge, Punkte und dergl.
calligraphiſch anbringen, und ſodann den Grund mit
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/509>, abgerufen am 23.12.2024.
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