dadurch Symbole entstehen, und der Beobachter einen dritten Ort außerhalb des Gegenstandes findet; aber es ist auch schädlich, indem das, was man ergreifen will, sogleich wieder entwischt, und das, was man gesondert hat, wieder zusammen fließt.
Bey solchen Bemühungen fand man gar bald, daß man nothwendig aussprechen müsse, was im Subject vorgeht, was für ein Zustand in dem Betrachtenden und Beobachtenden erregt wird. Hierauf entstand der Trieb, das Aeußere mit dem Innern in der Betrach- tung zu vereinen; welches freylich mitunter auf eine Weise geschah, die uns wunderlich, abstrus und unbe- greiflich vorkommen muß. Der Billige wird jedoch des- halb nicht übler von ihnen denken, wenn er gestehen muß, daß es uns, ihren späten Nachkommen, oft selbst nicht besser geht.
Aus dem, was uns von den Pythagoreern überliefert wird, ist wenig zu lernen. Daß sie Farbe und Oberfläche mit Einem Worte bezeichnen, deutet auf ein sinnlich gutes, aber doch nur gemeines Gewahr- werden, das uns von der tiefern Einsicht in das Pe- netrative der Farbe ablenkt. Wenn auch sie das Blaue nicht nennen, so werden wir abermals erinnert, daß das Blaue mit dem Dunklen und Schattigen dergestalt innig verwandt ist, daß man es lange Zeit dazu zäh- len konnte.
Die Gesinnungen und Meynungen Demokrits beziehen sich auf Forderungen einer erhöhten geschärften
dadurch Symbole entſtehen, und der Beobachter einen dritten Ort außerhalb des Gegenſtandes findet; aber es iſt auch ſchaͤdlich, indem das, was man ergreifen will, ſogleich wieder entwiſcht, und das, was man geſondert hat, wieder zuſammen fließt.
Bey ſolchen Bemuͤhungen fand man gar bald, daß man nothwendig ausſprechen muͤſſe, was im Subject vorgeht, was fuͤr ein Zuſtand in dem Betrachtenden und Beobachtenden erregt wird. Hierauf entſtand der Trieb, das Aeußere mit dem Innern in der Betrach- tung zu vereinen; welches freylich mitunter auf eine Weiſe geſchah, die uns wunderlich, abſtrus und unbe- greiflich vorkommen muß. Der Billige wird jedoch des- halb nicht uͤbler von ihnen denken, wenn er geſtehen muß, daß es uns, ihren ſpaͤten Nachkommen, oft ſelbſt nicht beſſer geht.
Aus dem, was uns von den Pythagoreern uͤberliefert wird, iſt wenig zu lernen. Daß ſie Farbe und Oberflaͤche mit Einem Worte bezeichnen, deutet auf ein ſinnlich gutes, aber doch nur gemeines Gewahr- werden, das uns von der tiefern Einſicht in das Pe- netrative der Farbe ablenkt. Wenn auch ſie das Blaue nicht nennen, ſo werden wir abermals erinnert, daß das Blaue mit dem Dunklen und Schattigen dergeſtalt innig verwandt iſt, daß man es lange Zeit dazu zaͤh- len konnte.
Die Geſinnungen und Meynungen Demokrits beziehen ſich auf Forderungen einer erhoͤhten geſchaͤrften
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dadurch Symbole entſtehen, und der Beobachter einen
dritten Ort außerhalb des Gegenſtandes findet; aber
es iſt auch ſchaͤdlich, indem das, was man ergreifen
will, ſogleich wieder entwiſcht, und das, was man
geſondert hat, wieder zuſammen fließt.
Bey ſolchen Bemuͤhungen fand man gar bald, daß
man nothwendig ausſprechen muͤſſe, was im Subject
vorgeht, was fuͤr ein Zuſtand in dem Betrachtenden
und Beobachtenden erregt wird. Hierauf entſtand der
Trieb, das Aeußere mit dem Innern in der Betrach-
tung zu vereinen; welches freylich mitunter auf eine
Weiſe geſchah, die uns wunderlich, abſtrus und unbe-
greiflich vorkommen muß. Der Billige wird jedoch des-
halb nicht uͤbler von ihnen denken, wenn er geſtehen
muß, daß es uns, ihren ſpaͤten Nachkommen, oft ſelbſt
nicht beſſer geht.
Aus dem, was uns von den Pythagoreern
uͤberliefert wird, iſt wenig zu lernen. Daß ſie Farbe
und Oberflaͤche mit Einem Worte bezeichnen, deutet
auf ein ſinnlich gutes, aber doch nur gemeines Gewahr-
werden, das uns von der tiefern Einſicht in das Pe-
netrative der Farbe ablenkt. Wenn auch ſie das Blaue
nicht nennen, ſo werden wir abermals erinnert, daß
das Blaue mit dem Dunklen und Schattigen dergeſtalt
innig verwandt iſt, daß man es lange Zeit dazu zaͤh-
len konnte.
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/143>, abgerufen am 21.11.2024.
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