ihnen so mächtig wundersam, daß sie eine Art von Bann und Zauber gewahr zu werden glaubten.
Das Sammlen und Entbinden des Auges durch Licht und Finsterniß, die Dauer des Eindrucks war ihnen bekannt. Von einem farbigen Abklingen, von einer Art Gegensatz finden sich Spuren. Aristoteles kannte den Werth und die Würde der Beachtung der Gegensätze überhaupt. Wie aber Einheit sich in Zwey- heit selbst auseinander lege, war den Alten verborgen. Sie kannten den Magnet, das Electron, bloß als Anziehen; Polarität war ihnen noch nicht deutlich ge- worden. Und hat man bis auf die neusten Zeiten nicht auch nur immer der Anziehung die Aufmerksam- keit geschenkt, und das zugleich geforderte Abstoßen nur als eine Nachwirkung der ersten schaffenden Kraft betrachtet?
In der Farbenlehre stellten die Alten Licht und Finsterniß, Weiß und Schwarz, einander entgegen. Sie bemerkten wohl, daß zwischen diesen die Farben entspringen; aber die Art und Weise sprachen sie nicht zart genug aus, obgleich Aristoteles ganz deutlich sagt, daß hier von keiner gemeinen Mischung die Rede sey.
Derselbe legt einen sehr großen Werth auf die Er- kenntniß des Diaphanen, als des Mittels, und kennt so gut als Plato die Wirkung des trüben Mittels zu Hervorbringung des Blauen. Bey allen seinen Schrit- ten aber wird er denn doch durch Schwarz und Weiß, das er bald materiell nimmt, bald symbolisch oder
ihnen ſo maͤchtig wunderſam, daß ſie eine Art von Bann und Zauber gewahr zu werden glaubten.
Das Sammlen und Entbinden des Auges durch Licht und Finſterniß, die Dauer des Eindrucks war ihnen bekannt. Von einem farbigen Abklingen, von einer Art Gegenſatz finden ſich Spuren. Ariſtoteles kannte den Werth und die Wuͤrde der Beachtung der Gegenſaͤtze uͤberhaupt. Wie aber Einheit ſich in Zwey- heit ſelbſt auseinander lege, war den Alten verborgen. Sie kannten den Magnet, das Electron, bloß als Anziehen; Polaritaͤt war ihnen noch nicht deutlich ge- worden. Und hat man bis auf die neuſten Zeiten nicht auch nur immer der Anziehung die Aufmerkſam- keit geſchenkt, und das zugleich geforderte Abſtoßen nur als eine Nachwirkung der erſten ſchaffenden Kraft betrachtet?
In der Farbenlehre ſtellten die Alten Licht und Finſterniß, Weiß und Schwarz, einander entgegen. Sie bemerkten wohl, daß zwiſchen dieſen die Farben entſpringen; aber die Art und Weiſe ſprachen ſie nicht zart genug aus, obgleich Ariſtoteles ganz deutlich ſagt, daß hier von keiner gemeinen Miſchung die Rede ſey.
Derſelbe legt einen ſehr großen Werth auf die Er- kenntniß des Diaphanen, als des Mittels, und kennt ſo gut als Plato die Wirkung des truͤben Mittels zu Hervorbringung des Blauen. Bey allen ſeinen Schrit- ten aber wird er denn doch durch Schwarz und Weiß, das er bald materiell nimmt, bald ſymboliſch oder
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ihnen ſo maͤchtig wunderſam, daß ſie eine Art von
Bann und Zauber gewahr zu werden glaubten.
Das Sammlen und Entbinden des Auges durch
Licht und Finſterniß, die Dauer des Eindrucks war
ihnen bekannt. Von einem farbigen Abklingen, von
einer Art Gegenſatz finden ſich Spuren. Ariſtoteles
kannte den Werth und die Wuͤrde der Beachtung der
Gegenſaͤtze uͤberhaupt. Wie aber Einheit ſich in Zwey-
heit ſelbſt auseinander lege, war den Alten verborgen.
Sie kannten den Magnet, das Electron, bloß als
Anziehen; Polaritaͤt war ihnen noch nicht deutlich ge-
worden. Und hat man bis auf die neuſten Zeiten
nicht auch nur immer der Anziehung die Aufmerkſam-
keit geſchenkt, und das zugleich geforderte Abſtoßen
nur als eine Nachwirkung der erſten ſchaffenden Kraft
betrachtet?
In der Farbenlehre ſtellten die Alten Licht und
Finſterniß, Weiß und Schwarz, einander entgegen.
Sie bemerkten wohl, daß zwiſchen dieſen die Farben
entſpringen; aber die Art und Weiſe ſprachen ſie nicht
zart genug aus, obgleich Ariſtoteles ganz deutlich ſagt,
daß hier von keiner gemeinen Miſchung die Rede ſey.
Derſelbe legt einen ſehr großen Werth auf die Er-
kenntniß des Diaphanen, als des Mittels, und kennt
ſo gut als Plato die Wirkung des truͤben Mittels zu
Hervorbringung des Blauen. Bey allen ſeinen Schrit-
ten aber wird er denn doch durch Schwarz und Weiß,
das er bald materiell nimmt, bald ſymboliſch oder
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/148>, abgerufen am 21.11.2024.
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