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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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eine Vorstellungsart, zu der ihm die an dem bononischen
Stein gemachte Erfahrung Anlaß gibt. Sich über die
Farbe zu erklären lehnt er ab, und es ist nichts natür-
licher, als daß er, geschaffen sich in die Tiefen der Na-
tur zu senken, er, dessen angebornes eindringendes Ge-
nie durch mathematische Cultur ins Unglaubliche geschärft
worden war, zu der oberflächlichen, wechselnden, nicht
zu haschenden, leicht verschwindenden Farbe wenig An-
muthung haben konnte.


Johann Keppler.

geb. 1571. gest. 1630.

Wenn man Kepplers Lebensgeschichte mit demjeni-
gen was er geworden und geleistet zusammenhält, so
geräth man in ein frohes Erstaunen, indem man sich
überzeugt, daß der wahre Genius alle Hindernisse über-
windet. Der Anfang und das Ende seines Lebens wer-
den durch Familienverhältnisse verkümmert, seine mitt-
lere Zeit fällt in die unruhigste Epoche, und doch dringt
sein glückliches Naturell durch. Die ernstesten Gegen-
stände behandelt er mit Heiterkeit und ein verwickeltes
mühsames Geschäft mit Bequemlichkeit.

Gibt er schriftlich Rechenschaft von seinem Thun,
von seinen Einsichten, so ist es als wenn es nur ge-
legentlich, im Vorbeygehen geschähe, und doch findet er
immer die Methode, die von Grund aus anspricht. An-

eine Vorſtellungsart, zu der ihm die an dem bononiſchen
Stein gemachte Erfahrung Anlaß gibt. Sich uͤber die
Farbe zu erklaͤren lehnt er ab, und es iſt nichts natuͤr-
licher, als daß er, geſchaffen ſich in die Tiefen der Na-
tur zu ſenken, er, deſſen angebornes eindringendes Ge-
nie durch mathematiſche Cultur ins Unglaubliche geſchaͤrft
worden war, zu der oberflaͤchlichen, wechſelnden, nicht
zu haſchenden, leicht verſchwindenden Farbe wenig An-
muthung haben konnte.


Johann Keppler.

geb. 1571. geſt. 1630.

Wenn man Kepplers Lebensgeſchichte mit demjeni-
gen was er geworden und geleiſtet zuſammenhaͤlt, ſo
geraͤth man in ein frohes Erſtaunen, indem man ſich
uͤberzeugt, daß der wahre Genius alle Hinderniſſe uͤber-
windet. Der Anfang und das Ende ſeines Lebens wer-
den durch Familienverhaͤltniſſe verkuͤmmert, ſeine mitt-
lere Zeit faͤllt in die unruhigſte Epoche, und doch dringt
ſein gluͤckliches Naturell durch. Die ernſteſten Gegen-
ſtaͤnde behandelt er mit Heiterkeit und ein verwickeltes
muͤhſames Geſchaͤft mit Bequemlichkeit.

Gibt er ſchriftlich Rechenſchaft von ſeinem Thun,
von ſeinen Einſichten, ſo iſt es als wenn es nur ge-
legentlich, im Vorbeygehen geſchaͤhe, und doch findet er
immer die Methode, die von Grund aus anſpricht. An-

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[247/0281] eine Vorſtellungsart, zu der ihm die an dem bononiſchen Stein gemachte Erfahrung Anlaß gibt. Sich uͤber die Farbe zu erklaͤren lehnt er ab, und es iſt nichts natuͤr- licher, als daß er, geſchaffen ſich in die Tiefen der Na- tur zu ſenken, er, deſſen angebornes eindringendes Ge- nie durch mathematiſche Cultur ins Unglaubliche geſchaͤrft worden war, zu der oberflaͤchlichen, wechſelnden, nicht zu haſchenden, leicht verſchwindenden Farbe wenig An- muthung haben konnte. Johann Keppler. geb. 1571. geſt. 1630. Wenn man Kepplers Lebensgeſchichte mit demjeni- gen was er geworden und geleiſtet zuſammenhaͤlt, ſo geraͤth man in ein frohes Erſtaunen, indem man ſich uͤberzeugt, daß der wahre Genius alle Hinderniſſe uͤber- windet. Der Anfang und das Ende ſeines Lebens wer- den durch Familienverhaͤltniſſe verkuͤmmert, ſeine mitt- lere Zeit faͤllt in die unruhigſte Epoche, und doch dringt ſein gluͤckliches Naturell durch. Die ernſteſten Gegen- ſtaͤnde behandelt er mit Heiterkeit und ein verwickeltes muͤhſames Geſchaͤft mit Bequemlichkeit. Gibt er ſchriftlich Rechenſchaft von ſeinem Thun, von ſeinen Einſichten, ſo iſt es als wenn es nur ge- legentlich, im Vorbeygehen geſchaͤhe, und doch findet er immer die Methode, die von Grund aus anſpricht. An-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/281>, abgerufen am 27.11.2024.