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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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man sehr viele Farbenerscheinungen auf diese sechs Re-
geln zurückführen und bey der Färberey, so wie bey
Verfertigung des farbigen Glases, manche Anwendung
davon machen könne. Unsre Leser werden sich erin-
nern, wie das Bewährte von diesen Regeln in un-
serer Abtheilung von chemischen Farben beygebracht ist.


Im Ganzen läßt sich nicht abläugnen, daß Ma-
riotte eine Ahndung des Rechten gehabt und daß er
auf dem Wege dahin gewesen. Er hat uns manches
gute Besondere aufbewahrt, fürs Allgemeine aber zu
wenig gethan. Seine Lehre ist mager, seinem Unter-
richt fehlt Ordnung, und bey aller Vorsichtigkeit spricht
er doch wohl zuletzt, statt einer Erfahrungsregel, et-
was Hypothetisches aus. Aus dem bisher Vorgetra-
genen läßt sich nunmehr beurtheilen, in wiefern Ma-
riotte als ein Gegner von Newton anzusehen sey.
Uns ist nicht bekannt geworden, daß er das was er
im Vorbeygehen gegen die neue Lehre geäußert, jemals
wieder urgirt habe. Sein Aufsatz über die Farben
mag kurz vor seinem Tode herausgekommen seyn. Auf
welche Weise jedoch die Newtonische Schule ihn ange-
fochten und um seinen guten Ruf gebracht, wird sich
sogleich des Nähern ergeben.


man ſehr viele Farbenerſcheinungen auf dieſe ſechs Re-
geln zuruͤckfuͤhren und bey der Faͤrberey, ſo wie bey
Verfertigung des farbigen Glaſes, manche Anwendung
davon machen koͤnne. Unſre Leſer werden ſich erin-
nern, wie das Bewaͤhrte von dieſen Regeln in un-
ſerer Abtheilung von chemiſchen Farben beygebracht iſt.


Im Ganzen laͤßt ſich nicht ablaͤugnen, daß Ma-
riotte eine Ahndung des Rechten gehabt und daß er
auf dem Wege dahin geweſen. Er hat uns manches
gute Beſondere aufbewahrt, fuͤrs Allgemeine aber zu
wenig gethan. Seine Lehre iſt mager, ſeinem Unter-
richt fehlt Ordnung, und bey aller Vorſichtigkeit ſpricht
er doch wohl zuletzt, ſtatt einer Erfahrungsregel, et-
was Hypothetiſches aus. Aus dem bisher Vorgetra-
genen laͤßt ſich nunmehr beurtheilen, in wiefern Ma-
riotte als ein Gegner von Newton anzuſehen ſey.
Uns iſt nicht bekannt geworden, daß er das was er
im Vorbeygehen gegen die neue Lehre geaͤußert, jemals
wieder urgirt habe. Sein Aufſatz uͤber die Farben
mag kurz vor ſeinem Tode herausgekommen ſeyn. Auf
welche Weiſe jedoch die Newtoniſche Schule ihn ange-
fochten und um ſeinen guten Ruf gebracht, wird ſich
ſogleich des Naͤhern ergeben.


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[452/0486] man ſehr viele Farbenerſcheinungen auf dieſe ſechs Re- geln zuruͤckfuͤhren und bey der Faͤrberey, ſo wie bey Verfertigung des farbigen Glaſes, manche Anwendung davon machen koͤnne. Unſre Leſer werden ſich erin- nern, wie das Bewaͤhrte von dieſen Regeln in un- ſerer Abtheilung von chemiſchen Farben beygebracht iſt. Im Ganzen laͤßt ſich nicht ablaͤugnen, daß Ma- riotte eine Ahndung des Rechten gehabt und daß er auf dem Wege dahin geweſen. Er hat uns manches gute Beſondere aufbewahrt, fuͤrs Allgemeine aber zu wenig gethan. Seine Lehre iſt mager, ſeinem Unter- richt fehlt Ordnung, und bey aller Vorſichtigkeit ſpricht er doch wohl zuletzt, ſtatt einer Erfahrungsregel, et- was Hypothetiſches aus. Aus dem bisher Vorgetra- genen laͤßt ſich nunmehr beurtheilen, in wiefern Ma- riotte als ein Gegner von Newton anzuſehen ſey. Uns iſt nicht bekannt geworden, daß er das was er im Vorbeygehen gegen die neue Lehre geaͤußert, jemals wieder urgirt habe. Sein Aufſatz uͤber die Farben mag kurz vor ſeinem Tode herausgekommen ſeyn. Auf welche Weiſe jedoch die Newtoniſche Schule ihn ange- fochten und um ſeinen guten Ruf gebracht, wird ſich ſogleich des Naͤhern ergeben.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/486>, abgerufen am 22.11.2024.