Ein Mann gleichsam von der Natur bestimmt mit Fontenellen zu wetteifern, unterrichtet, klar, scharf- sinnig, fleißig, von einer socialen und höchstgefälligen Natur. Er folgte Fontenellen im Secretariat bey der Akademie, schrieb einige Jahre die erforderlichen Lob- reden, erhielt sich die Gunst der vornehmen und rühri- gen Welt bis in sein Alter, das er beynahe so hoch als Fontenelle brachte. Uns geziemt nur desjenigen zu gedenken was er gethan, um die Farbenlehre zu fördern.
Schon mochte bey den Physikern vergessen seyn, was Mariotte für diese Lehre geleistet; der Weg den er gegangen, den er eingeleitet, war vielleicht zum zweyten- mal von einem Franzosen nicht zu betreten. Er hatte still und einsam gelebt, so daß man beynahe nichts von ihm weiß, und wie wäre es sonst auch möglich gewesen, den Erfahrungen mit solcher Schärfe und Genauigkeit bis in ihre letzten nothwendigsten und einfachsten Bedingungen zu folgen. Von Nüguet und demjenigen was er im Journal von Trevoux geäußert, scheint Niemand die mindeste Notiz genommen zu ha- ben. Eben so wenig von De la Hire's richtigem Apercü wegen des Blauen und Rothen. Alles das war für
Jean-Jacques d’Ortous de Mairan
geb. 1678. geſt. 1771.
Ein Mann gleichſam von der Natur beſtimmt mit Fontenellen zu wetteifern, unterrichtet, klar, ſcharf- ſinnig, fleißig, von einer ſocialen und hoͤchſtgefaͤlligen Natur. Er folgte Fontenellen im Secretariat bey der Akademie, ſchrieb einige Jahre die erforderlichen Lob- reden, erhielt ſich die Gunſt der vornehmen und ruͤhri- gen Welt bis in ſein Alter, das er beynahe ſo hoch als Fontenelle brachte. Uns geziemt nur desjenigen zu gedenken was er gethan, um die Farbenlehre zu foͤrdern.
Schon mochte bey den Phyſikern vergeſſen ſeyn, was Mariotte fuͤr dieſe Lehre geleiſtet; der Weg den er gegangen, den er eingeleitet, war vielleicht zum zweyten- mal von einem Franzoſen nicht zu betreten. Er hatte ſtill und einſam gelebt, ſo daß man beynahe nichts von ihm weiß, und wie waͤre es ſonſt auch moͤglich geweſen, den Erfahrungen mit ſolcher Schaͤrfe und Genauigkeit bis in ihre letzten nothwendigſten und einfachſten Bedingungen zu folgen. Von Nuͤguet und demjenigen was er im Journal von Trevoux geaͤußert, ſcheint Niemand die mindeſte Notiz genommen zu ha- ben. Eben ſo wenig von De la Hire’s richtigem Aperçuͤ wegen des Blauen und Rothen. Alles das war fuͤr
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Jean-Jacques d’Ortous de Mairan
geb. 1678. geſt. 1771.
Ein Mann gleichſam von der Natur beſtimmt
mit Fontenellen zu wetteifern, unterrichtet, klar, ſcharf-
ſinnig, fleißig, von einer ſocialen und hoͤchſtgefaͤlligen
Natur. Er folgte Fontenellen im Secretariat bey der
Akademie, ſchrieb einige Jahre die erforderlichen Lob-
reden, erhielt ſich die Gunſt der vornehmen und ruͤhri-
gen Welt bis in ſein Alter, das er beynahe ſo hoch
als Fontenelle brachte. Uns geziemt nur desjenigen
zu gedenken was er gethan, um die Farbenlehre zu
foͤrdern.
Schon mochte bey den Phyſikern vergeſſen ſeyn,
was Mariotte fuͤr dieſe Lehre geleiſtet; der Weg den er
gegangen, den er eingeleitet, war vielleicht zum zweyten-
mal von einem Franzoſen nicht zu betreten. Er hatte
ſtill und einſam gelebt, ſo daß man beynahe nichts
von ihm weiß, und wie waͤre es ſonſt auch moͤglich
geweſen, den Erfahrungen mit ſolcher Schaͤrfe und
Genauigkeit bis in ihre letzten nothwendigſten und
einfachſten Bedingungen zu folgen. Von Nuͤguet und
demjenigen was er im Journal von Trevoux geaͤußert,
ſcheint Niemand die mindeſte Notiz genommen zu ha-
ben. Eben ſo wenig von De la Hire’s richtigem Aperçuͤ
wegen des Blauen und Rothen. Alles das war fuͤr
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/541>, abgerufen am 22.11.2024.
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