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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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thum und die Comforts der Engländer dem, wenig-
stens in früherer Zeit, geldarmen und genügsamen
Franzosen gar wünschenswerth in die Augen leuchten
müssen.

Dieses Vorziehen einer fremden Völkerschaft, dieses
Hintansetzen seiner eigenen kann doch wohl aber nicht
höher getrieben werden, als wir es oben bey Voltairen
finden, der die Newtonische Lehre zum regnum coe-
lorum
und die Franzosen zu den parvulis macht.
Doch hätte er es gewiß nicht gethan, wenn das Vor-
urtheil in seiner Nation nicht schon gäng und gäbe
gewesen wäre. Denn bey aller Kühnheit hütet er sich
doch etwas vorzubringen, wogegen er die allgemeine
Stimmung kennt, und wir haben ihn im Verdacht,
daß er seinen Deismus überall und so entschieden aus-
spricht, bloß damit er sich vom Verdacht des Atheis-
mus reinige: einer Denkweise, die jederzeit nur we-
nigen Menschen gemäß und den übrigen zum Abscheu
seyn mußte.


Chemiker.

Das Verhalten der Lakmustinktur gegen Säuren
und Alcalien, so bekannt es war, blieb doch immer we-
gen seiner Eminenz und seiner Brauchbarkeit den Chemi-
kern merkwürdig, ja das Phänomen wurde gewisser-
maßen für einzig gehalten. Die frühern Bemerkungen

thum und die Comforts der Englaͤnder dem, wenig-
ſtens in fruͤherer Zeit, geldarmen und genuͤgſamen
Franzoſen gar wuͤnſchenswerth in die Augen leuchten
muͤſſen.

Dieſes Vorziehen einer fremden Voͤlkerſchaft, dieſes
Hintanſetzen ſeiner eigenen kann doch wohl aber nicht
hoͤher getrieben werden, als wir es oben bey Voltairen
finden, der die Newtoniſche Lehre zum regnum coe-
lorum
und die Franzoſen zu den parvulis macht.
Doch haͤtte er es gewiß nicht gethan, wenn das Vor-
urtheil in ſeiner Nation nicht ſchon gaͤng und gaͤbe
geweſen waͤre. Denn bey aller Kuͤhnheit huͤtet er ſich
doch etwas vorzubringen, wogegen er die allgemeine
Stimmung kennt, und wir haben ihn im Verdacht,
daß er ſeinen Deismus uͤberall und ſo entſchieden aus-
ſpricht, bloß damit er ſich vom Verdacht des Atheis-
mus reinige: einer Denkweiſe, die jederzeit nur we-
nigen Menſchen gemaͤß und den uͤbrigen zum Abſcheu
ſeyn mußte.


Chemiker.

Das Verhalten der Lakmustinktur gegen Saͤuren
und Alcalien, ſo bekannt es war, blieb doch immer we-
gen ſeiner Eminenz und ſeiner Brauchbarkeit den Chemi-
kern merkwuͤrdig, ja das Phaͤnomen wurde gewiſſer-
maßen fuͤr einzig gehalten. Die fruͤhern Bemerkungen

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[521/0555] thum und die Comforts der Englaͤnder dem, wenig- ſtens in fruͤherer Zeit, geldarmen und genuͤgſamen Franzoſen gar wuͤnſchenswerth in die Augen leuchten muͤſſen. Dieſes Vorziehen einer fremden Voͤlkerſchaft, dieſes Hintanſetzen ſeiner eigenen kann doch wohl aber nicht hoͤher getrieben werden, als wir es oben bey Voltairen finden, der die Newtoniſche Lehre zum regnum coe- lorum und die Franzoſen zu den parvulis macht. Doch haͤtte er es gewiß nicht gethan, wenn das Vor- urtheil in ſeiner Nation nicht ſchon gaͤng und gaͤbe geweſen waͤre. Denn bey aller Kuͤhnheit huͤtet er ſich doch etwas vorzubringen, wogegen er die allgemeine Stimmung kennt, und wir haben ihn im Verdacht, daß er ſeinen Deismus uͤberall und ſo entſchieden aus- ſpricht, bloß damit er ſich vom Verdacht des Atheis- mus reinige: einer Denkweiſe, die jederzeit nur we- nigen Menſchen gemaͤß und den uͤbrigen zum Abſcheu ſeyn mußte. Chemiker. Das Verhalten der Lakmustinktur gegen Saͤuren und Alcalien, ſo bekannt es war, blieb doch immer we- gen ſeiner Eminenz und ſeiner Brauchbarkeit den Chemi- kern merkwuͤrdig, ja das Phaͤnomen wurde gewiſſer- maßen fuͤr einzig gehalten. Die fruͤhern Bemerkungen

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/555>, abgerufen am 22.11.2024.