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Goethe, Johann Wolfgang von: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. [s. l.], 1773.

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war; den seh ich auf einmal, jammernd wie einen
kranken Poeten, melankolisch wie ein gesundes Mäd-
gen, und müßiger als einen alten Junggesellen.
Anfangs schrieb ich's eurem Unfall zu, der euch
noch neu auf dem Herzen lag, und entschuldigte
euch so gut ich konnte. Jzt, da es von Tag
zu Tag schlimmer mit euch zu werden scheint, müßt
ihr mir verzeihen wenn ich euch meine Gunst ent-
reisse; ihr besitzt sie ohne Recht, ich schenkte sie ei-
nem andern auf lebenslang, der sie euch nicht über-
tragen konnte.
Weislingen. So laßt mich los.
Adelheid. Nicht bis alle Hoffnung verlohren
ist. Die Einsamkeit ist in diesen Umständen gefähr-
lich. Armer Mensch. Jhr seyd so mißmuthig wie
einer dem sein erstes Mädgen untreu wird, und
eben darum geb ich euch nicht auf. Gebt mir die
Hand, verzeiht mir was ich aus Liebe gesagt habe.
Weislingen. Könntest du mich lieben, könntest
du meiner heissen Leidenschaft einen Tropfen Linde-
rung gewähren. Adelheid! deine Vorwürfe sind
höchst ungerecht. Könntest du den hundertsten Theil
ahnden, von dem was die Zeit her in mir arbeitet,
du
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war; den ſeh ich auf einmal, jammernd wie einen
kranken Poeten, melankoliſch wie ein geſundes Maͤd-
gen, und muͤßiger als einen alten Junggeſellen.
Anfangs ſchrieb ich’s eurem Unfall zu, der euch
noch neu auf dem Herzen lag, und entſchuldigte
euch ſo gut ich konnte. Jzt, da es von Tag
zu Tag ſchlimmer mit euch zu werden ſcheint, muͤßt
ihr mir verzeihen wenn ich euch meine Gunſt ent-
reiſſe; ihr beſitzt ſie ohne Recht, ich ſchenkte ſie ei-
nem andern auf lebenslang, der ſie euch nicht uͤber-
tragen konnte.
Weislingen. So laßt mich los.
Adelheid. Nicht bis alle Hoffnung verlohren
iſt. Die Einſamkeit iſt in dieſen Umſtaͤnden gefaͤhr-
lich. Armer Menſch. Jhr ſeyd ſo mißmuthig wie
einer dem ſein erſtes Maͤdgen untreu wird, und
eben darum geb ich euch nicht auf. Gebt mir die
Hand, verzeiht mir was ich aus Liebe geſagt habe.
Weislingen. Koͤnnteſt du mich lieben, koͤnnteſt
du meiner heiſſen Leidenſchaft einen Tropfen Linde-
rung gewaͤhren. Adelheid! deine Vorwuͤrfe ſind
hoͤchſt ungerecht. Koͤnnteſt du den hundertſten Theil
ahnden, von dem was die Zeit her in mir arbeitet,
du
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[89/0093] war; den ſeh ich auf einmal, jammernd wie einen kranken Poeten, melankoliſch wie ein geſundes Maͤd- gen, und muͤßiger als einen alten Junggeſellen. Anfangs ſchrieb ich’s eurem Unfall zu, der euch noch neu auf dem Herzen lag, und entſchuldigte euch ſo gut ich konnte. Jzt, da es von Tag zu Tag ſchlimmer mit euch zu werden ſcheint, muͤßt ihr mir verzeihen wenn ich euch meine Gunſt ent- reiſſe; ihr beſitzt ſie ohne Recht, ich ſchenkte ſie ei- nem andern auf lebenslang, der ſie euch nicht uͤber- tragen konnte. Weislingen. So laßt mich los. Adelheid. Nicht bis alle Hoffnung verlohren iſt. Die Einſamkeit iſt in dieſen Umſtaͤnden gefaͤhr- lich. Armer Menſch. Jhr ſeyd ſo mißmuthig wie einer dem ſein erſtes Maͤdgen untreu wird, und eben darum geb ich euch nicht auf. Gebt mir die Hand, verzeiht mir was ich aus Liebe geſagt habe. Weislingen. Koͤnnteſt du mich lieben, koͤnnteſt du meiner heiſſen Leidenſchaft einen Tropfen Linde- rung gewaͤhren. Adelheid! deine Vorwuͤrfe ſind hoͤchſt ungerecht. Koͤnnteſt du den hundertſten Theil ahnden, von dem was die Zeit her in mir arbeitet, du F 5

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. [s. l.], 1773, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_goetz_1773/93>, abgerufen am 24.11.2024.