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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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nungs-Himmel getragen, und von der Kai¬
serinn eine gewichtige goldene Kette mit ihrem
Bildniß erhalten hatte, war mit einigen
Schwiegersöhnen und Töchtern auf östreichi¬
scher Seite. Mein Vater, von Carl dem
siebenten zum kaiserlichen Rath ernannt,
und an dem Schicksale dieses unglücklichen
Monarchen gemüthlich theilnehmend, neigte
sich mit der kleinern Familienhälfte gegen
Preußen. Gar bald wurden unsere Zusam¬
menkünfte, die man seit mehrern Jahren
Sonntags ununterbrochen fortgesetzt hatte,
gestört. Die unter Verschwägerten gewöhn¬
lichen Mishelligkeiten fanden nun erst eine
Form, in der sie sich aussprechen konnten.
Man stritt, man überwarf sich, man schwieg,
man brach los. Der Großvater, sonst ein
heitrer, ruhiger und bequemer Mann, ward
ungeduldig. Die Frauen suchten vergebens
das Feuer zu tüschen, und nach einigen un¬
angenehmen Scenen blieb mein Vater zuerst
aus der Gesellschaft. Nun freuten wir uns

nungs-Himmel getragen, und von der Kai¬
ſerinn eine gewichtige goldene Kette mit ihrem
Bildniß erhalten hatte, war mit einigen
Schwiegerſoͤhnen und Toͤchtern auf oͤſtreichi¬
ſcher Seite. Mein Vater, von Carl dem
ſiebenten zum kaiſerlichen Rath ernannt,
und an dem Schickſale dieſes ungluͤcklichen
Monarchen gemuͤthlich theilnehmend, neigte
ſich mit der kleinern Familienhaͤlfte gegen
Preußen. Gar bald wurden unſere Zuſam¬
menkuͤnfte, die man ſeit mehrern Jahren
Sonntags ununterbrochen fortgeſetzt hatte,
geſtoͤrt. Die unter Verſchwaͤgerten gewoͤhn¬
lichen Mishelligkeiten fanden nun erſt eine
Form, in der ſie ſich ausſprechen konnten.
Man ſtritt, man uͤberwarf ſich, man ſchwieg,
man brach los. Der Großvater, ſonſt ein
heitrer, ruhiger und bequemer Mann, ward
ungeduldig. Die Frauen ſuchten vergebens
das Feuer zu tuͤſchen, und nach einigen un¬
angenehmen Scenen blieb mein Vater zuerſt
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[93/0109] nungs-Himmel getragen, und von der Kai¬ ſerinn eine gewichtige goldene Kette mit ihrem Bildniß erhalten hatte, war mit einigen Schwiegerſoͤhnen und Toͤchtern auf oͤſtreichi¬ ſcher Seite. Mein Vater, von Carl dem ſiebenten zum kaiſerlichen Rath ernannt, und an dem Schickſale dieſes ungluͤcklichen Monarchen gemuͤthlich theilnehmend, neigte ſich mit der kleinern Familienhaͤlfte gegen Preußen. Gar bald wurden unſere Zuſam¬ menkuͤnfte, die man ſeit mehrern Jahren Sonntags ununterbrochen fortgeſetzt hatte, geſtoͤrt. Die unter Verſchwaͤgerten gewoͤhn¬ lichen Mishelligkeiten fanden nun erſt eine Form, in der ſie ſich ausſprechen konnten. Man ſtritt, man uͤberwarf ſich, man ſchwieg, man brach los. Der Großvater, ſonſt ein heitrer, ruhiger und bequemer Mann, ward ungeduldig. Die Frauen ſuchten vergebens das Feuer zu tuͤſchen, und nach einigen un¬ angenehmen Scenen blieb mein Vater zuerſt aus der Geſellſchaft. Nun freuten wir uns

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/109>, abgerufen am 21.11.2024.