nungs-Himmel getragen, und von der Kai¬ serinn eine gewichtige goldene Kette mit ihrem Bildniß erhalten hatte, war mit einigen Schwiegersöhnen und Töchtern auf östreichi¬ scher Seite. Mein Vater, von Carl dem siebenten zum kaiserlichen Rath ernannt, und an dem Schicksale dieses unglücklichen Monarchen gemüthlich theilnehmend, neigte sich mit der kleinern Familienhälfte gegen Preußen. Gar bald wurden unsere Zusam¬ menkünfte, die man seit mehrern Jahren Sonntags ununterbrochen fortgesetzt hatte, gestört. Die unter Verschwägerten gewöhn¬ lichen Mishelligkeiten fanden nun erst eine Form, in der sie sich aussprechen konnten. Man stritt, man überwarf sich, man schwieg, man brach los. Der Großvater, sonst ein heitrer, ruhiger und bequemer Mann, ward ungeduldig. Die Frauen suchten vergebens das Feuer zu tüschen, und nach einigen un¬ angenehmen Scenen blieb mein Vater zuerst aus der Gesellschaft. Nun freuten wir uns
nungs-Himmel getragen, und von der Kai¬ ſerinn eine gewichtige goldene Kette mit ihrem Bildniß erhalten hatte, war mit einigen Schwiegerſoͤhnen und Toͤchtern auf oͤſtreichi¬ ſcher Seite. Mein Vater, von Carl dem ſiebenten zum kaiſerlichen Rath ernannt, und an dem Schickſale dieſes ungluͤcklichen Monarchen gemuͤthlich theilnehmend, neigte ſich mit der kleinern Familienhaͤlfte gegen Preußen. Gar bald wurden unſere Zuſam¬ menkuͤnfte, die man ſeit mehrern Jahren Sonntags ununterbrochen fortgeſetzt hatte, geſtoͤrt. Die unter Verſchwaͤgerten gewoͤhn¬ lichen Mishelligkeiten fanden nun erſt eine Form, in der ſie ſich ausſprechen konnten. Man ſtritt, man uͤberwarf ſich, man ſchwieg, man brach los. Der Großvater, ſonſt ein heitrer, ruhiger und bequemer Mann, ward ungeduldig. Die Frauen ſuchten vergebens das Feuer zu tuͤſchen, und nach einigen un¬ angenehmen Scenen blieb mein Vater zuerſt aus der Geſellſchaft. Nun freuten wir uns
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0109"n="93"/>
nungs-Himmel getragen, und von der Kai¬<lb/>ſerinn eine gewichtige goldene Kette mit ihrem<lb/>
Bildniß erhalten hatte, war mit einigen<lb/>
Schwiegerſoͤhnen und Toͤchtern auf oͤſtreichi¬<lb/>ſcher Seite. Mein Vater, von Carl dem<lb/>ſiebenten zum kaiſerlichen Rath ernannt,<lb/>
und an dem Schickſale dieſes ungluͤcklichen<lb/>
Monarchen gemuͤthlich theilnehmend, neigte<lb/>ſich mit der kleinern Familienhaͤlfte gegen<lb/>
Preußen. Gar bald wurden unſere Zuſam¬<lb/>
menkuͤnfte, die man ſeit mehrern Jahren<lb/>
Sonntags ununterbrochen fortgeſetzt hatte,<lb/>
geſtoͤrt. Die unter Verſchwaͤgerten gewoͤhn¬<lb/>
lichen Mishelligkeiten fanden nun erſt eine<lb/>
Form, in der ſie ſich ausſprechen konnten.<lb/>
Man ſtritt, man uͤberwarf ſich, man ſchwieg,<lb/>
man brach los. Der Großvater, ſonſt ein<lb/>
heitrer, ruhiger und bequemer Mann, ward<lb/>
ungeduldig. Die Frauen ſuchten vergebens<lb/>
das Feuer zu tuͤſchen, und nach einigen un¬<lb/>
angenehmen Scenen blieb mein Vater zuerſt<lb/>
aus der Geſellſchaft. Nun freuten wir uns<lb/></p></div></body></text></TEI>
[93/0109]
nungs-Himmel getragen, und von der Kai¬
ſerinn eine gewichtige goldene Kette mit ihrem
Bildniß erhalten hatte, war mit einigen
Schwiegerſoͤhnen und Toͤchtern auf oͤſtreichi¬
ſcher Seite. Mein Vater, von Carl dem
ſiebenten zum kaiſerlichen Rath ernannt,
und an dem Schickſale dieſes ungluͤcklichen
Monarchen gemuͤthlich theilnehmend, neigte
ſich mit der kleinern Familienhaͤlfte gegen
Preußen. Gar bald wurden unſere Zuſam¬
menkuͤnfte, die man ſeit mehrern Jahren
Sonntags ununterbrochen fortgeſetzt hatte,
geſtoͤrt. Die unter Verſchwaͤgerten gewoͤhn¬
lichen Mishelligkeiten fanden nun erſt eine
Form, in der ſie ſich ausſprechen konnten.
Man ſtritt, man uͤberwarf ſich, man ſchwieg,
man brach los. Der Großvater, ſonſt ein
heitrer, ruhiger und bequemer Mann, ward
ungeduldig. Die Frauen ſuchten vergebens
das Feuer zu tuͤſchen, und nach einigen un¬
angenehmen Scenen blieb mein Vater zuerſt
aus der Geſellſchaft. Nun freuten wir uns
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/109>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.