Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

mir nur leid, daß der gute Mann schon so
lange gestorben: denn ich habe mich auch
ihn persönlich zu kennen öfters gesehnt, sein
Bildniß vielmals betrachtet, ja sein Grab
besucht und mich wenigstens bey der Inschrift
an dem einfachen Denkmal seines vorübergegan¬
genen Daseyns gefreut, dem ich das meine
schuldig geworden. Ein anderer Miswollen¬
der, der tückischste von allen, nahm jenen
ersten bey Seite und flüsterte ihm etwas in
die Ohren, wobey sie mich immer spöttisch
ansahen. Schon fing die Galle mir an zu
kochen, und ich foderte sie auf, laut zu re¬
den. -- "Nun was ist es denn weiter,
sagte der erste, wenn du es wissen willst:
dieser da meynt, du könntest lange herumge¬
hen und suchen, bis du deinen Großvater
fändest." -- Ich drohte nun noch heftiger,
wenn sie sich nicht deutlicher erklären würden.
Sie brachten darauf ein Mährchen vor, das
sie ihren Aeltern wollten abgelauscht haben:
mein Vater sey der Sohn eines vornehmen

mir nur leid, daß der gute Mann ſchon ſo
lange geſtorben: denn ich habe mich auch
ihn perſoͤnlich zu kennen oͤfters geſehnt, ſein
Bildniß vielmals betrachtet, ja ſein Grab
beſucht und mich wenigſtens bey der Inſchrift
an dem einfachen Denkmal ſeines voruͤbergegan¬
genen Daſeyns gefreut, dem ich das meine
ſchuldig geworden. Ein anderer Miswollen¬
der, der tuͤckiſchſte von allen, nahm jenen
erſten bey Seite und fluͤſterte ihm etwas in
die Ohren, wobey ſie mich immer ſpoͤttiſch
anſahen. Schon fing die Galle mir an zu
kochen, und ich foderte ſie auf, laut zu re¬
den. — „Nun was iſt es denn weiter,
ſagte der erſte, wenn du es wiſſen willſt:
dieſer da meynt, du koͤnnteſt lange herumge¬
hen und ſuchen, bis du deinen Großvater
faͤndeſt.“ — Ich drohte nun noch heftiger,
wenn ſie ſich nicht deutlicher erklaͤren wuͤrden.
Sie brachten darauf ein Maͤhrchen vor, das
ſie ihren Aeltern wollten abgelauſcht haben:
mein Vater ſey der Sohn eines vornehmen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0165" n="149"/>
mir nur leid, daß der gute Mann &#x017F;chon &#x017F;o<lb/>
lange ge&#x017F;torben: denn ich habe mich auch<lb/>
ihn per&#x017F;o&#x0364;nlich zu kennen o&#x0364;fters ge&#x017F;ehnt, &#x017F;ein<lb/>
Bildniß vielmals betrachtet, ja &#x017F;ein Grab<lb/>
be&#x017F;ucht und mich wenig&#x017F;tens bey der In&#x017F;chrift<lb/>
an dem einfachen Denkmal &#x017F;eines voru&#x0364;bergegan¬<lb/>
genen Da&#x017F;eyns gefreut, dem ich das meine<lb/>
&#x017F;chuldig geworden. Ein anderer Miswollen¬<lb/>
der, der tu&#x0364;cki&#x017F;ch&#x017F;te von allen, nahm jenen<lb/>
er&#x017F;ten bey Seite und flu&#x0364;&#x017F;terte ihm etwas in<lb/>
die Ohren, wobey &#x017F;ie mich immer &#x017F;po&#x0364;tti&#x017F;ch<lb/>
an&#x017F;ahen. Schon fing die Galle mir an zu<lb/>
kochen, und ich foderte &#x017F;ie auf, laut zu re¬<lb/>
den. &#x2014; &#x201E;Nun was i&#x017F;t es denn weiter,<lb/>
&#x017F;agte der er&#x017F;te, wenn du es wi&#x017F;&#x017F;en will&#x017F;t:<lb/>
die&#x017F;er da meynt, du ko&#x0364;nnte&#x017F;t lange herumge¬<lb/>
hen und &#x017F;uchen, bis du deinen Großvater<lb/>
fa&#x0364;nde&#x017F;t.&#x201C; &#x2014; Ich drohte nun noch heftiger,<lb/>
wenn &#x017F;ie &#x017F;ich nicht deutlicher erkla&#x0364;ren wu&#x0364;rden.<lb/>
Sie brachten darauf ein Ma&#x0364;hrchen vor, das<lb/>
&#x017F;ie ihren Aeltern wollten abgelau&#x017F;cht haben:<lb/>
mein Vater &#x017F;ey der Sohn eines vornehmen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0165] mir nur leid, daß der gute Mann ſchon ſo lange geſtorben: denn ich habe mich auch ihn perſoͤnlich zu kennen oͤfters geſehnt, ſein Bildniß vielmals betrachtet, ja ſein Grab beſucht und mich wenigſtens bey der Inſchrift an dem einfachen Denkmal ſeines voruͤbergegan¬ genen Daſeyns gefreut, dem ich das meine ſchuldig geworden. Ein anderer Miswollen¬ der, der tuͤckiſchſte von allen, nahm jenen erſten bey Seite und fluͤſterte ihm etwas in die Ohren, wobey ſie mich immer ſpoͤttiſch anſahen. Schon fing die Galle mir an zu kochen, und ich foderte ſie auf, laut zu re¬ den. — „Nun was iſt es denn weiter, ſagte der erſte, wenn du es wiſſen willſt: dieſer da meynt, du koͤnnteſt lange herumge¬ hen und ſuchen, bis du deinen Großvater faͤndeſt.“ — Ich drohte nun noch heftiger, wenn ſie ſich nicht deutlicher erklaͤren wuͤrden. Sie brachten darauf ein Maͤhrchen vor, das ſie ihren Aeltern wollten abgelauſcht haben: mein Vater ſey der Sohn eines vornehmen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/165
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/165>, abgerufen am 21.11.2024.