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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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Es währte nicht lange, so entspann sich
aber für mich ein eignes und besondres In¬
teresse. Der junge Derones, so will ich
den Knaben nennen, mit dem ich mein Ver¬
hältniß immer fortsetzte, war außer seinen
Aufschneidereyen ein Knabe von guten Sitten
und recht artigem Betragen. Er machte
mich mit seiner Schwester bekannt, die ein
paar Jahre älter als wir und ein gar ange¬
nehmes Mädchen war, gut gewachsen, von
einer regelmäßigen Bildung, brauner Farbe,
schwarzen Haaren und Augen; ihr ganzes
Betragen hatte etwas Stilles, ja Trauriges.
Ich suchte ihr auf alle Weise gefällig zu
seyn; allein ich konnte ihre Aufmerksamkeit
nicht auf mich lenken. Junge Mädchen dün¬
ken sich gegen jüngere Knaben sehr weit vor¬
geschritten, und nehmen, indem sie nach den
Jünglingen hinschauen, ein tantenhaftes Be¬
tragen gegen den Knaben an, der ihnen seine
erste Neigung zuwendet. Mit einem jüngern
Bruder hatte ich kein Verhältniß.

Es waͤhrte nicht lange, ſo entſpann ſich
aber fuͤr mich ein eignes und beſondres In¬
tereſſe. Der junge Derones, ſo will ich
den Knaben nennen, mit dem ich mein Ver¬
haͤltniß immer fortſetzte, war außer ſeinen
Aufſchneidereyen ein Knabe von guten Sitten
und recht artigem Betragen. Er machte
mich mit ſeiner Schweſter bekannt, die ein
paar Jahre aͤlter als wir und ein gar ange¬
nehmes Maͤdchen war, gut gewachſen, von
einer regelmaͤßigen Bildung, brauner Farbe,
ſchwarzen Haaren und Augen; ihr ganzes
Betragen hatte etwas Stilles, ja Trauriges.
Ich ſuchte ihr auf alle Weiſe gefaͤllig zu
ſeyn; allein ich konnte ihre Aufmerkſamkeit
nicht auf mich lenken. Junge Maͤdchen duͤn¬
ken ſich gegen juͤngere Knaben ſehr weit vor¬
geſchritten, und nehmen, indem ſie nach den
Juͤnglingen hinſchauen, ein tantenhaftes Be¬
tragen gegen den Knaben an, der ihnen ſeine
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Bruder hatte ich kein Verhaͤltniß.

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[208/0224] Es waͤhrte nicht lange, ſo entſpann ſich aber fuͤr mich ein eignes und beſondres In¬ tereſſe. Der junge Derones, ſo will ich den Knaben nennen, mit dem ich mein Ver¬ haͤltniß immer fortſetzte, war außer ſeinen Aufſchneidereyen ein Knabe von guten Sitten und recht artigem Betragen. Er machte mich mit ſeiner Schweſter bekannt, die ein paar Jahre aͤlter als wir und ein gar ange¬ nehmes Maͤdchen war, gut gewachſen, von einer regelmaͤßigen Bildung, brauner Farbe, ſchwarzen Haaren und Augen; ihr ganzes Betragen hatte etwas Stilles, ja Trauriges. Ich ſuchte ihr auf alle Weiſe gefaͤllig zu ſeyn; allein ich konnte ihre Aufmerkſamkeit nicht auf mich lenken. Junge Maͤdchen duͤn¬ ken ſich gegen juͤngere Knaben ſehr weit vor¬ geſchritten, und nehmen, indem ſie nach den Juͤnglingen hinſchauen, ein tantenhaftes Be¬ tragen gegen den Knaben an, der ihnen ſeine erſte Neigung zuwendet. Mit einem juͤngern Bruder hatte ich kein Verhaͤltniß.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/224>, abgerufen am 26.11.2024.