und schätzbar ist. Hier sah ich täglich die Piazza del Popolo, das Coliseo, den Peters¬ platz, die Peterskirche von außen und innen, die Engelsburg und so manches andere. Diese Gestalten drückten sich tief bey mir ein, und der sonst sehr laconische Vater hatte wohl manchmal die Gefälligkeit, eine Beschreibung des Gegenstandes vernehmen zu lassen. Seine Vorliebe für die italiänische Sprache und für alles was sich auf jenes Land bezieht, war sehr ausgesprochen. Eine kleine Mar¬ mor- und Naturaliensammlung, die er von dorther mitgebracht, zeigte er uns auch manch¬ mal vor, und einen großen Theil seiner Zeit verwendete er auf seine italiänisch verfaßte Reisebeschreibung, deren Abschrift und Re¬ daction er eigenhändig, heftweise, langsam und genau ausfertigte. Ein alter heiterer italiänischer Sprachmeister, Giovinazzi genannt, war ihm daran behülflich. Auch sang der Alte nicht übel, und meine Mutter mußte sich bequemen, ihn und sich selbst mit
und ſchaͤtzbar iſt. Hier ſah ich taͤglich die Piazza del Popolo, das Coliſeo, den Peters¬ platz, die Peterskirche von außen und innen, die Engelsburg und ſo manches andere. Dieſe Geſtalten druͤckten ſich tief bey mir ein, und der ſonst ſehr laconiſche Vater hatte wohl manchmal die Gefaͤlligkeit, eine Beſchreibung des Gegenſtandes vernehmen zu laſſen. Seine Vorliebe fuͤr die italiaͤniſche Sprache und fuͤr alles was ſich auf jenes Land bezieht, war ſehr ausgeſprochen. Eine kleine Mar¬ mor- und Naturalienſammlung, die er von dorther mitgebracht, zeigte er uns auch manch¬ mal vor, und einen großen Theil ſeiner Zeit verwendete er auf ſeine italiaͤniſch verfaßte Reiſebeſchreibung, deren Abſchrift und Re¬ daction er eigenhaͤndig, heftweiſe, langſam und genau ausfertigte. Ein alter heiterer italiaͤniſcher Sprachmeiſter, Giovinazzi genannt, war ihm daran behuͤlflich. Auch ſang der Alte nicht uͤbel, und meine Mutter mußte ſich bequemen, ihn und ſich ſelbſt mit
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Piazza del Popolo, das Coliſeo, den Peters¬
platz, die Peterskirche von außen und innen,
die Engelsburg und ſo manches andere. Dieſe
Geſtalten druͤckten ſich tief bey mir ein, und
der ſonst ſehr laconiſche Vater hatte wohl
manchmal die Gefaͤlligkeit, eine Beſchreibung
des Gegenſtandes vernehmen zu laſſen. Seine
Vorliebe fuͤr die italiaͤniſche Sprache und
fuͤr alles was ſich auf jenes Land bezieht,
war ſehr ausgeſprochen. Eine kleine Mar¬
mor- und Naturalienſammlung, die er von
dorther mitgebracht, zeigte er uns auch manch¬
mal vor, und einen großen Theil ſeiner Zeit
verwendete er auf ſeine italiaͤniſch verfaßte
Reiſebeſchreibung, deren Abſchrift und Re¬
daction er eigenhaͤndig, heftweiſe, langſam
und genau ausfertigte. Ein alter heiterer
italiaͤniſcher Sprachmeiſter, Giovinazzi
genannt, war ihm daran behuͤlflich. Auch
ſang der Alte nicht uͤbel, und meine Mutter
mußte ſich bequemen, ihn und ſich ſelbſt mit
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/29>, abgerufen am 23.11.2024.
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