und mit allerley guten Bissen zu erquicken. An einem Weihnachtsabende jedoch setzte sie allen ihren Wohlthaten die Krone auf, in¬ dem sie uns ein Puppenspiel vorstellen ließ, und so in dem alten Hause eine neue Welt erschuf. Dieses unerwartete Schauspiel zog die jungen Gemüther mit Gewalt an sich; besonders auf den Knaben machte es einen sehr starken Eindruck, der in eine große lang¬ dauernde Wirkung nachklang.
Die kleine Bühne mit ihrem stummen Per¬ sonal, die man uns anfangs nur vorgezeigt hatte, nachher aber zu eigner Uebung und dramatischer Belebung übergab, mußte uns Kindern um so viel werther seyn, als es das letzte Vermächtniß unserer guten Großmutter war, die bald darauf durch zunehmende Krank¬ heit unsern Augen erst entzogen, und dann für immer durch den Tod entrissen wurde. Ihr Abscheiden war für die Familie von desto größerer Bedeutung, als es eine völlige Ver¬
und mit allerley guten Biſſen zu erquicken. An einem Weihnachtsabende jedoch ſetzte ſie allen ihren Wohlthaten die Krone auf, in¬ dem ſie uns ein Puppenſpiel vorſtellen ließ, und ſo in dem alten Hauſe eine neue Welt erſchuf. Dieſes unerwartete Schauſpiel zog die jungen Gemuͤther mit Gewalt an ſich; beſonders auf den Knaben machte es einen ſehr ſtarken Eindruck, der in eine große lang¬ dauernde Wirkung nachklang.
Die kleine Buͤhne mit ihrem ſtummen Per¬ ſonal, die man uns anfangs nur vorgezeigt hatte, nachher aber zu eigner Uebung und dramatiſcher Belebung uͤbergab, mußte uns Kindern um ſo viel werther ſeyn, als es das letzte Vermaͤchtniß unſerer guten Großmutter war, die bald darauf durch zunehmende Krank¬ heit unſern Augen erſt entzogen, und dann fuͤr immer durch den Tod entriſſen wurde. Ihr Abſcheiden war fuͤr die Familie von deſto groͤßerer Bedeutung, als es eine voͤllige Ver¬
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und mit allerley guten Biſſen zu erquicken.
An einem Weihnachtsabende jedoch ſetzte ſie
allen ihren Wohlthaten die Krone auf, in¬
dem ſie uns ein Puppenſpiel vorſtellen ließ,
und ſo in dem alten Hauſe eine neue Welt
erſchuf. Dieſes unerwartete Schauſpiel zog
die jungen Gemuͤther mit Gewalt an ſich;
beſonders auf den Knaben machte es einen
ſehr ſtarken Eindruck, der in eine große lang¬
dauernde Wirkung nachklang.
Die kleine Buͤhne mit ihrem ſtummen Per¬
ſonal, die man uns anfangs nur vorgezeigt
hatte, nachher aber zu eigner Uebung und
dramatiſcher Belebung uͤbergab, mußte uns
Kindern um ſo viel werther ſeyn, als es das
letzte Vermaͤchtniß unſerer guten Großmutter
war, die bald darauf durch zunehmende Krank¬
heit unſern Augen erſt entzogen, und dann
fuͤr immer durch den Tod entriſſen wurde.
Ihr Abſcheiden war fuͤr die Familie von deſto
groͤßerer Bedeutung, als es eine voͤllige Ver¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/31>, abgerufen am 30.04.2024.
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