ähnlich Günstiges und Heitres hervorgethan hätte. Schon zur natürlichen Religion, wenn wir annehmen, daß sie früher in dem mensch¬ lichen Gemüthe entsprungen, gehört viel Zart¬ heit der Gesinnung: denn sie ruht auf der Ueberzeugung einer allgemeinen Vorsehung, welche die Weltordnung im Ganzen leite. Eine besondre Religion, eine von den Göt¬ tern diesem oder jenem Volk geoffenbarte, führt den Glauben an eine besondre Vorse¬ hung mit sich, die das göttliche Wesen gewis¬ sen begünstigten Menschen, Familien, Stäm¬ men und Völkern zusagt. Diese scheint sich schwer aus dem Innern des Menschen zu entwickeln. Sie verlangt Ueberlieferung, Her¬ kommen, Bürgschaft aus uralter Zeit.
Schön ist es daher, daß die israelitische Ueberlieferung gleich die ersten Männer, welche dieser besondern Vorsehung vertrauen, als Glaubenshelden darstellt, welche von jenem hohen Wesen, dem sie sich abhängig erken¬
aͤhnlich Guͤnſtiges und Heitres hervorgethan haͤtte. Schon zur natuͤrlichen Religion, wenn wir annehmen, daß ſie fruͤher in dem menſch¬ lichen Gemuͤthe entſprungen, gehoͤrt viel Zart¬ heit der Geſinnung: denn ſie ruht auf der Ueberzeugung einer allgemeinen Vorſehung, welche die Weltordnung im Ganzen leite. Eine beſondre Religion, eine von den Goͤt¬ tern dieſem oder jenem Volk geoffenbarte, fuͤhrt den Glauben an eine beſondre Vorſe¬ hung mit ſich, die das goͤttliche Weſen gewiſ¬ ſen beguͤnſtigten Menſchen, Familien, Staͤm¬ men und Voͤlkern zuſagt. Dieſe ſcheint ſich ſchwer aus dem Innern des Menſchen zu entwickeln. Sie verlangt Ueberlieferung, Her¬ kommen, Buͤrgſchaft aus uralter Zeit.
Schoͤn iſt es daher, daß die iſraelitiſche Ueberlieferung gleich die erſten Maͤnner, welche dieſer beſondern Vorſehung vertrauen, als Glaubenshelden darſtellt, welche von jenem hohen Weſen, dem ſie ſich abhaͤngig erken¬
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aͤhnlich Guͤnſtiges und Heitres hervorgethan
haͤtte. Schon zur natuͤrlichen Religion, wenn
wir annehmen, daß ſie fruͤher in dem menſch¬
lichen Gemuͤthe entſprungen, gehoͤrt viel Zart¬
heit der Geſinnung: denn ſie ruht auf der
Ueberzeugung einer allgemeinen Vorſehung,
welche die Weltordnung im Ganzen leite.
Eine beſondre Religion, eine von den Goͤt¬
tern dieſem oder jenem Volk geoffenbarte,
fuͤhrt den Glauben an eine beſondre Vorſe¬
hung mit ſich, die das goͤttliche Weſen gewiſ¬
ſen beguͤnſtigten Menſchen, Familien, Staͤm¬
men und Voͤlkern zuſagt. Dieſe ſcheint ſich
ſchwer aus dem Innern des Menſchen zu
entwickeln. Sie verlangt Ueberlieferung, Her¬
kommen, Buͤrgſchaft aus uralter Zeit.
Schoͤn iſt es daher, daß die iſraelitiſche
Ueberlieferung gleich die erſten Maͤnner, welche
dieſer beſondern Vorſehung vertrauen, als
Glaubenshelden darſtellt, welche von jenem
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/329>, abgerufen am 27.11.2024.
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