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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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bekümmert um äußeres architektonisches Anse¬
hen, und nur um innere gute und bequeme
Einrichtung besorgt, bediente sich, wie schon
mehrere vor ihm gethan, der Ausflucht, die
oberen Theile des Hauses zu unterstützen und
von unten herauf einen nach dem andern weg¬
zunehmen, und das Neue gleichsam einzuschal¬
ten, so daß, wenn zuletzt gewissermaßen nichts
von dem Alten übrig blieb, der ganz neue
Bau noch immer für eine Reparatur gelten
konnte. Da nun also das Einreißen und
Aufrichten allmählich geschah, so hatte mein
Vater sich vorgenommen, nicht aus dem Hau¬
se zu weichen, um desto besser die Aufsicht
zu führen und die Anleitung geben zu können:
denn aufs Technische des Baues verstand er
sich ganz gut; dabey wollte er aber auch seine
Familie nicht von sich lassen. Diese neue Epo¬
che war den Kindern sehr überraschend und
sonderbar. Die Zimmer, in denen man sie
oft enge genug gehalten und mit wenig er¬
freulichem Lernen und Arbeiten geängstigt, die

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bekuͤmmert um aͤußeres architektoniſches Anſe¬
hen, und nur um innere gute und bequeme
Einrichtung beſorgt, bediente ſich, wie ſchon
mehrere vor ihm gethan, der Ausflucht, die
oberen Theile des Hauſes zu unterſtuͤtzen und
von unten herauf einen nach dem andern weg¬
zunehmen, und das Neue gleichſam einzuſchal¬
ten, ſo daß, wenn zuletzt gewiſſermaßen nichts
von dem Alten uͤbrig blieb, der ganz neue
Bau noch immer fuͤr eine Reparatur gelten
konnte. Da nun alſo das Einreißen und
Aufrichten allmaͤhlich geſchah, ſo hatte mein
Vater ſich vorgenommen, nicht aus dem Hau¬
ſe zu weichen, um deſto beſſer die Aufſicht
zu fuͤhren und die Anleitung geben zu koͤnnen:
denn aufs Techniſche des Baues verſtand er
ſich ganz gut; dabey wollte er aber auch ſeine
Familie nicht von ſich laſſen. Dieſe neue Epo¬
che war den Kindern ſehr uͤberraſchend und
ſonderbar. Die Zimmer, in denen man ſie
oft enge genug gehalten und mit wenig er¬
freulichem Lernen und Arbeiten geaͤngſtigt, die

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[17/0033] bekuͤmmert um aͤußeres architektoniſches Anſe¬ hen, und nur um innere gute und bequeme Einrichtung beſorgt, bediente ſich, wie ſchon mehrere vor ihm gethan, der Ausflucht, die oberen Theile des Hauſes zu unterſtuͤtzen und von unten herauf einen nach dem andern weg¬ zunehmen, und das Neue gleichſam einzuſchal¬ ten, ſo daß, wenn zuletzt gewiſſermaßen nichts von dem Alten uͤbrig blieb, der ganz neue Bau noch immer fuͤr eine Reparatur gelten konnte. Da nun alſo das Einreißen und Aufrichten allmaͤhlich geſchah, ſo hatte mein Vater ſich vorgenommen, nicht aus dem Hau¬ ſe zu weichen, um deſto beſſer die Aufſicht zu fuͤhren und die Anleitung geben zu koͤnnen: denn aufs Techniſche des Baues verſtand er ſich ganz gut; dabey wollte er aber auch ſeine Familie nicht von ſich laſſen. Dieſe neue Epo¬ che war den Kindern ſehr uͤberraſchend und ſonderbar. Die Zimmer, in denen man ſie oft enge genug gehalten und mit wenig er¬ freulichem Lernen und Arbeiten geaͤngſtigt, die I. 2

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/33>, abgerufen am 30.04.2024.