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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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Getödtetes herbeyziehen, sie versöhnen, sie
gewinnen könne, über diese Vorstellung hat
man sich gleichfalls nicht zu verwundern.
Bleiben wir aber bey den Opfern stehen, und
betrachten die Art, wie sie in jener Urzeit
dargebracht wurden; so finden wir einen selt¬
samen, für uns ganz widerlichen Gebrauch,
der wahrscheinlich auch aus dem Kriege her¬
genommen, diesen nämlich: die geopferten
Thiere jeder Art, und wenn ihrer noch so
viel gewidmet wurden, mußten in zwey Hälf¬
ten zerhauen, an zwey Seiten gelegt werden,
und in der Straße dazwischen befanden sich
diejenigen, die mit der Gottheit einen Bund
schließen wollten.

Wunderbar und ahndungsvoll geht durch
jene schöne Welt noch ein anderer schrecklicher
Zug, daß alles was geweiht, was verlobt
war, sterben mußte: wahrscheinlich auch ein
auf den Frieden übergetragener Kriegsgebrauch.
Den Bewohnern einer Stadt, die sich gewalt¬

Getoͤdtetes herbeyziehen, ſie verſoͤhnen, ſie
gewinnen koͤnne, uͤber dieſe Vorſtellung hat
man ſich gleichfalls nicht zu verwundern.
Bleiben wir aber bey den Opfern ſtehen, und
betrachten die Art, wie ſie in jener Urzeit
dargebracht wurden; ſo finden wir einen ſelt¬
ſamen, fuͤr uns ganz widerlichen Gebrauch,
der wahrſcheinlich auch aus dem Kriege her¬
genommen, dieſen naͤmlich: die geopferten
Thiere jeder Art, und wenn ihrer noch ſo
viel gewidmet wurden, mußten in zwey Haͤlf¬
ten zerhauen, an zwey Seiten gelegt werden,
und in der Straße dazwiſchen befanden ſich
diejenigen, die mit der Gottheit einen Bund
ſchließen wollten.

Wunderbar und ahndungsvoll geht durch
jene ſchoͤne Welt noch ein anderer ſchrecklicher
Zug, daß alles was geweiht, was verlobt
war, ſterben mußte: wahrſcheinlich auch ein
auf den Frieden uͤbergetragener Kriegsgebrauch.
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[317/0333] Getoͤdtetes herbeyziehen, ſie verſoͤhnen, ſie gewinnen koͤnne, uͤber dieſe Vorſtellung hat man ſich gleichfalls nicht zu verwundern. Bleiben wir aber bey den Opfern ſtehen, und betrachten die Art, wie ſie in jener Urzeit dargebracht wurden; ſo finden wir einen ſelt¬ ſamen, fuͤr uns ganz widerlichen Gebrauch, der wahrſcheinlich auch aus dem Kriege her¬ genommen, dieſen naͤmlich: die geopferten Thiere jeder Art, und wenn ihrer noch ſo viel gewidmet wurden, mußten in zwey Haͤlf¬ ten zerhauen, an zwey Seiten gelegt werden, und in der Straße dazwiſchen befanden ſich diejenigen, die mit der Gottheit einen Bund ſchließen wollten. Wunderbar und ahndungsvoll geht durch jene ſchoͤne Welt noch ein anderer ſchrecklicher Zug, daß alles was geweiht, was verlobt war, ſterben mußte: wahrſcheinlich auch ein auf den Frieden uͤbergetragener Kriegsgebrauch. Den Bewohnern einer Stadt, die ſich gewalt¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/333>, abgerufen am 27.11.2024.