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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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sam wehrt, wird mit einem solchen Gelübde
gedroht; sie geht über, durch Sturm oder
sonst: man läßt nichts am Leben, Männer
keineswegs, und manchmal theilen auch Frauen,
Kinder, ja das Vieh ein gleiches Schicksal.
Uebereilter und abergläubischer Weise werden,
bestimmter oder unbestimmter, dergleichen
Opfer den Göttern versprochen; und so kom¬
men die welche man schonen möchte, ja so
gar die Nächsten, die eigenen Kinder, in den
Fall als Sühnopfer eines solchen Wahnsinns
zu bluten.

In dem sanften, wahrhaft urväterlichen
Character Abrahams konnte eine so barbarische
Anbetungsweise nicht entspringen; aber die
Götter, welche manchmal, um uns zu versu¬
chen, jene Eigenschaften hervorzukehren schei¬
nen, die der Mensch ihnen anzudichten geneigt
ist, befehlen ihm das Ungeheure. Er soll
seinen Sohn opfern, als Pfand des neuen
Bundes, und wenn es nach dem Herge¬

ſam wehrt, wird mit einem ſolchen Geluͤbde
gedroht; ſie geht uͤber, durch Sturm oder
ſonſt: man laͤßt nichts am Leben, Maͤnner
keineswegs, und manchmal theilen auch Frauen,
Kinder, ja das Vieh ein gleiches Schickſal.
Uebereilter und aberglaͤubiſcher Weiſe werden,
beſtimmter oder unbeſtimmter, dergleichen
Opfer den Goͤttern verſprochen; und ſo kom¬
men die welche man ſchonen moͤchte, ja ſo
gar die Naͤchſten, die eigenen Kinder, in den
Fall als Suͤhnopfer eines ſolchen Wahnſinns
zu bluten.

In dem ſanften, wahrhaft urvaͤterlichen
Character Abrahams konnte eine ſo barbariſche
Anbetungsweiſe nicht entſpringen; aber die
Goͤtter, welche manchmal, um uns zu verſu¬
chen, jene Eigenſchaften hervorzukehren ſchei¬
nen, die der Menſch ihnen anzudichten geneigt
iſt, befehlen ihm das Ungeheure. Er ſoll
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Bundes, und wenn es nach dem Herge¬

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[318/0334] ſam wehrt, wird mit einem ſolchen Geluͤbde gedroht; ſie geht uͤber, durch Sturm oder ſonſt: man laͤßt nichts am Leben, Maͤnner keineswegs, und manchmal theilen auch Frauen, Kinder, ja das Vieh ein gleiches Schickſal. Uebereilter und aberglaͤubiſcher Weiſe werden, beſtimmter oder unbeſtimmter, dergleichen Opfer den Goͤttern verſprochen; und ſo kom¬ men die welche man ſchonen moͤchte, ja ſo gar die Naͤchſten, die eigenen Kinder, in den Fall als Suͤhnopfer eines ſolchen Wahnſinns zu bluten. In dem ſanften, wahrhaft urvaͤterlichen Character Abrahams konnte eine ſo barbariſche Anbetungsweiſe nicht entſpringen; aber die Goͤtter, welche manchmal, um uns zu verſu¬ chen, jene Eigenſchaften hervorzukehren ſchei¬ nen, die der Menſch ihnen anzudichten geneigt iſt, befehlen ihm das Ungeheure. Er ſoll ſeinen Sohn opfern, als Pfand des neuen Bundes, und wenn es nach dem Herge¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/334>, abgerufen am 27.11.2024.