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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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nommenen Tapeten, der Regen bis zu unsern
Betten gelangte: so entschloß er sich, obgleich
ungern, die Kinder wohlwollenden Freunden,
welche sich schon früher dazu erboten hatten,
auf eine Zeit lang zu überlassen und sie in
eine öffentliche Schule zu schicken.

Dieser Uebergang hatte manches Unange¬
nehme: denn indem man die bisher zu Hause
abgesondert, reinlich, edel, obgleich streng,
gehaltenen Kinder unter eine rohe Masse von
jungen Geschöpfen hinunterstieß; so hatten sie
vom Gemeinen, Schlechten, ja Niederträchti¬
gen ganz unerwartet alles zu leiden, weil sie
aller Waffen und aller Fähigkeit ermangelten,
sich dagegen zu schützen.

Um diese Zeit war es eigentlich, daß ich
meine Vaterstadt zuerst gewahr wurde: wie
ich denn nach und nach immer freyer und un¬
gehinderter, theils allein, theils mit muntern
Gespielen, darin auf und abwandelte. Um

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nommenen Tapeten, der Regen bis zu unſern
Betten gelangte: ſo entſchloß er ſich, obgleich
ungern, die Kinder wohlwollenden Freunden,
welche ſich ſchon fruͤher dazu erboten hatten,
auf eine Zeit lang zu uͤberlaſſen und ſie in
eine oͤffentliche Schule zu ſchicken.

Dieſer Uebergang hatte manches Unange¬
nehme: denn indem man die bisher zu Hauſe
abgeſondert, reinlich, edel, obgleich ſtreng,
gehaltenen Kinder unter eine rohe Maſſe von
jungen Geſchoͤpfen hinunterſtieß; ſo hatten ſie
vom Gemeinen, Schlechten, ja Niedertraͤchti¬
gen ganz unerwartet alles zu leiden, weil ſie
aller Waffen und aller Faͤhigkeit ermangelten,
ſich dagegen zu ſchuͤtzen.

Um dieſe Zeit war es eigentlich, daß ich
meine Vaterſtadt zuerſt gewahr wurde: wie
ich denn nach und nach immer freyer und un¬
gehinderter, theils allein, theils mit muntern
Geſpielen, darin auf und abwandelte. Um

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[19/0035] nommenen Tapeten, der Regen bis zu unſern Betten gelangte: ſo entſchloß er ſich, obgleich ungern, die Kinder wohlwollenden Freunden, welche ſich ſchon fruͤher dazu erboten hatten, auf eine Zeit lang zu uͤberlaſſen und ſie in eine oͤffentliche Schule zu ſchicken. Dieſer Uebergang hatte manches Unange¬ nehme: denn indem man die bisher zu Hauſe abgeſondert, reinlich, edel, obgleich ſtreng, gehaltenen Kinder unter eine rohe Maſſe von jungen Geſchoͤpfen hinunterſtieß; ſo hatten ſie vom Gemeinen, Schlechten, ja Niedertraͤchti¬ gen ganz unerwartet alles zu leiden, weil ſie aller Waffen und aller Faͤhigkeit ermangelten, ſich dagegen zu ſchuͤtzen. Um dieſe Zeit war es eigentlich, daß ich meine Vaterſtadt zuerſt gewahr wurde: wie ich denn nach und nach immer freyer und un¬ gehinderter, theils allein, theils mit muntern Geſpielen, darin auf und abwandelte. Um 2 *

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/35>, abgerufen am 30.04.2024.