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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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schränkten, vollgepfropften und unreinlichen
Marktplatz hindrängen. So erinnere ich mich
auch, daß ich immer mit Entsetzen vor den
daraustoßenden, engen und häßlichen Fleisch¬
bänken geflohen bin. Der Römerberg war
ein desto angenehmerer Spazirplatz. Der
Weg nach der neuen Stadt, durch die neue
Kräm, war immer aufheiternd und ergetzlich;
nur verdroß es uns, daß nicht neben der
Liebfrauen-Kirche eine Straße nach der Zeile
zuging, und wir immer den großen Umweg
durch die Hasengasse oder die Catharinenpfor¬
te machen mußten. Was aber die Aufmerk¬
samkeit des Kindes am meisten an sich zog,
waren die vielen kleinen Städte in der Stadt,
die Festungen in der Festung, die ummauer¬
ten Klosterbezirke nämlich, und die aus frü¬
hern Jahrhunderten noch übrigen mehr oder
minder burgartigen Räume: so der Nürnber¬
ger Hof, das Compostell, das Braunfels,
das Stammhaus derer von Stallburg, und
mehrere in den spätern Zeiten zu Wohnungen

ſchraͤnkten, vollgepfropften und unreinlichen
Marktplatz hindraͤngen. So erinnere ich mich
auch, daß ich immer mit Entſetzen vor den
darauſtoßenden, engen und haͤßlichen Fleiſch¬
baͤnken geflohen bin. Der Roͤmerberg war
ein deſto angenehmerer Spazirplatz. Der
Weg nach der neuen Stadt, durch die neue
Kraͤm, war immer aufheiternd und ergetzlich;
nur verdroß es uns, daß nicht neben der
Liebfrauen-Kirche eine Straße nach der Zeile
zuging, und wir immer den großen Umweg
durch die Haſengaſſe oder die Catharinenpfor¬
te machen mußten. Was aber die Aufmerk¬
ſamkeit des Kindes am meiſten an ſich zog,
waren die vielen kleinen Staͤdte in der Stadt,
die Feſtungen in der Feſtung, die ummauer¬
ten Kloſterbezirke naͤmlich, und die aus fruͤ¬
hern Jahrhunderten noch uͤbrigen mehr oder
minder burgartigen Raͤume: ſo der Nuͤrnber¬
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das Stammhaus derer von Stallburg, und
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[22/0038] ſchraͤnkten, vollgepfropften und unreinlichen Marktplatz hindraͤngen. So erinnere ich mich auch, daß ich immer mit Entſetzen vor den darauſtoßenden, engen und haͤßlichen Fleiſch¬ baͤnken geflohen bin. Der Roͤmerberg war ein deſto angenehmerer Spazirplatz. Der Weg nach der neuen Stadt, durch die neue Kraͤm, war immer aufheiternd und ergetzlich; nur verdroß es uns, daß nicht neben der Liebfrauen-Kirche eine Straße nach der Zeile zuging, und wir immer den großen Umweg durch die Haſengaſſe oder die Catharinenpfor¬ te machen mußten. Was aber die Aufmerk¬ ſamkeit des Kindes am meiſten an ſich zog, waren die vielen kleinen Staͤdte in der Stadt, die Feſtungen in der Feſtung, die ummauer¬ ten Kloſterbezirke naͤmlich, und die aus fruͤ¬ hern Jahrhunderten noch uͤbrigen mehr oder minder burgartigen Raͤume: ſo der Nuͤrnber¬ ger Hof, das Compoſtell, das Braunfels, das Stammhaus derer von Stallburg, und mehrere in den ſpaͤtern Zeiten zu Wohnungen

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/38>, abgerufen am 30.04.2024.