hintereinander vor meiner Seele, schärften und spornten meinen Schmerz, so daß ich mir vor Jammer nicht zu helfen wußte, mich die Länge lang auf die Erde warf, und den Fußboden mit meinen Thränen benetzte.
Ich weiß nicht, wie lange ich mochte gelegen haben, als meine Schwester herein¬ trat, über meine Gebärde erschrak und al¬ les mögliche that mich aufzurichten. Sie er¬ zählte mir, daß eine Magistratsperson unten beym Vater die Rückkunft des Hausfreundes erwartet, und nachdem sie sich eine Zeit lang eingeschlossen gehalten, seyen die beyden Herren weggegangen, und hätten untereinan¬ der sehr zufrieden, ja mit Lachen geredet, und sie glaube die Worte verstanden zu haben: es ist recht gut, die Sache hat nichts zu bedeuten. -- "Freylich, fuhr ich auf, hat die Sache nichts zu bedeuten, für mich, für uns: denn ich habe nichts verbrochen, und wenn ich es hätte, so würde man mir durch¬
hintereinander vor meiner Seele, ſchaͤrften und ſpornten meinen Schmerz, ſo daß ich mir vor Jammer nicht zu helfen wußte, mich die Laͤnge lang auf die Erde warf, und den Fußboden mit meinen Thraͤnen benetzte.
Ich weiß nicht, wie lange ich mochte gelegen haben, als meine Schweſter herein¬ trat, uͤber meine Gebaͤrde erſchrak und al¬ les moͤgliche that mich aufzurichten. Sie er¬ zaͤhlte mir, daß eine Magiſtratsperſon unten beym Vater die Ruͤckkunft des Hausfreundes erwartet, und nachdem ſie ſich eine Zeit lang eingeſchloſſen gehalten, ſeyen die beyden Herren weggegangen, und haͤtten untereinan¬ der ſehr zufrieden, ja mit Lachen geredet, und ſie glaube die Worte verſtanden zu haben: es iſt recht gut, die Sache hat nichts zu bedeuten. — „Freylich, fuhr ich auf, hat die Sache nichts zu bedeuten, fuͤr mich, fuͤr uns: denn ich habe nichts verbrochen, und wenn ich es haͤtte, ſo wuͤrde man mir durch¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0525"n="509"/>
hintereinander vor meiner Seele, ſchaͤrften<lb/>
und ſpornten meinen Schmerz, ſo daß ich<lb/>
mir vor Jammer nicht zu helfen wußte, mich<lb/>
die Laͤnge lang auf die Erde warf, und den<lb/>
Fußboden mit meinen Thraͤnen benetzte.</p><lb/><p>Ich weiß nicht, wie lange ich mochte<lb/>
gelegen haben, als meine Schweſter herein¬<lb/>
trat, uͤber meine Gebaͤrde erſchrak und al¬<lb/>
les moͤgliche that mich aufzurichten. Sie er¬<lb/>
zaͤhlte mir, daß eine Magiſtratsperſon unten<lb/>
beym Vater die Ruͤckkunft des Hausfreundes<lb/>
erwartet, und nachdem ſie ſich eine Zeit<lb/>
lang eingeſchloſſen gehalten, ſeyen die beyden<lb/>
Herren weggegangen, und haͤtten untereinan¬<lb/>
der ſehr zufrieden, ja mit Lachen geredet,<lb/>
und ſie glaube die Worte verſtanden zu haben:<lb/>
es iſt recht gut, die Sache hat nichts zu<lb/>
bedeuten. —„Freylich, fuhr ich auf, hat<lb/>
die Sache nichts zu bedeuten, fuͤr mich, fuͤr<lb/>
uns: denn ich habe nichts verbrochen, und<lb/>
wenn ich es haͤtte, ſo wuͤrde man mir durch¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[509/0525]
hintereinander vor meiner Seele, ſchaͤrften
und ſpornten meinen Schmerz, ſo daß ich
mir vor Jammer nicht zu helfen wußte, mich
die Laͤnge lang auf die Erde warf, und den
Fußboden mit meinen Thraͤnen benetzte.
Ich weiß nicht, wie lange ich mochte
gelegen haben, als meine Schweſter herein¬
trat, uͤber meine Gebaͤrde erſchrak und al¬
les moͤgliche that mich aufzurichten. Sie er¬
zaͤhlte mir, daß eine Magiſtratsperſon unten
beym Vater die Ruͤckkunft des Hausfreundes
erwartet, und nachdem ſie ſich eine Zeit
lang eingeſchloſſen gehalten, ſeyen die beyden
Herren weggegangen, und haͤtten untereinan¬
der ſehr zufrieden, ja mit Lachen geredet,
und ſie glaube die Worte verſtanden zu haben:
es iſt recht gut, die Sache hat nichts zu
bedeuten. — „Freylich, fuhr ich auf, hat
die Sache nichts zu bedeuten, fuͤr mich, fuͤr
uns: denn ich habe nichts verbrochen, und
wenn ich es haͤtte, ſo wuͤrde man mir durch¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 509. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/525>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.