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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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daß er, von einem falschen Puncte ausge¬
hend, nach beynahe schon durchlaufenem Krei¬
se, doch noch auf die Hauptsache stößt, und
die Darstellung der Sitten, Charactere, Lei¬
denschaften, kurz, des inneren Menschen, auf
den die Dichtkunst doch wohl vorzüglich an¬
gewiesen ist, am Ende seines Buchs gleich¬
sam als Zugabe anzurathen sich genöthigt
findet.

In welche Verwirrung junge Geister durch
solche ausgerenkte Maximen, halb verstandene
Gesetze und zersplitterte Lehren sich versetzt
fühlten, läßt sich wohl denken. Man hielt
sich an Beyspiele, und war auch da nicht ge¬
bessert; die ausländischen standen zu weit ab,
so sehr wie die alten, und aus den besten
inländischen blickte jedesmal eine entschiedene
Individualität hervor, deren Tugenden man
sich nicht anmaßen konnte und in deren Feh¬
ler zu fallen man fürchten mußte. Für den,

daß er, von einem falſchen Puncte ausge¬
hend, nach beynahe ſchon durchlaufenem Krei¬
ſe, doch noch auf die Hauptſache ſtoͤßt, und
die Darſtellung der Sitten, Charactere, Lei¬
denſchaften, kurz, des inneren Menſchen, auf
den die Dichtkunſt doch wohl vorzuͤglich an¬
gewieſen iſt, am Ende ſeines Buchs gleich¬
ſam als Zugabe anzurathen ſich genoͤthigt
findet.

In welche Verwirrung junge Geiſter durch
ſolche ausgerenkte Maximen, halb verſtandene
Geſetze und zerſplitterte Lehren ſich verſetzt
fuͤhlten, laͤßt ſich wohl denken. Man hielt
ſich an Beyſpiele, und war auch da nicht ge¬
beſſert; die auslaͤndiſchen ſtanden zu weit ab,
ſo ſehr wie die alten, und aus den beſten
inlaͤndiſchen blickte jedesmal eine entſchiedene
Individualitaͤt hervor, deren Tugenden man
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[120/0128] daß er, von einem falſchen Puncte ausge¬ hend, nach beynahe ſchon durchlaufenem Krei¬ ſe, doch noch auf die Hauptſache ſtoͤßt, und die Darſtellung der Sitten, Charactere, Lei¬ denſchaften, kurz, des inneren Menſchen, auf den die Dichtkunſt doch wohl vorzuͤglich an¬ gewieſen iſt, am Ende ſeines Buchs gleich¬ ſam als Zugabe anzurathen ſich genoͤthigt findet. In welche Verwirrung junge Geiſter durch ſolche ausgerenkte Maximen, halb verſtandene Geſetze und zerſplitterte Lehren ſich verſetzt fuͤhlten, laͤßt ſich wohl denken. Man hielt ſich an Beyſpiele, und war auch da nicht ge¬ beſſert; die auslaͤndiſchen ſtanden zu weit ab, ſo ſehr wie die alten, und aus den beſten inlaͤndiſchen blickte jedesmal eine entſchiedene Individualitaͤt hervor, deren Tugenden man ſich nicht anmaßen konnte und in deren Feh¬ ler zu fallen man fuͤrchten mußte. Fuͤr den,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/128>, abgerufen am 24.11.2024.