und Wilde daran gehört seiner Zeit, seiner Lebensweise und besonders seinem Character oder, wenn man will, seiner Characterlosig¬ keit. Er wußte sich nicht zu zähmen, und so zerrann ihm sein Leben wie sein Dichten.
Durch ein unfertiges Betragen hatte sich Günther das Glück verscherzt, an dem Hofe August's des zweyten angestellt zu werden, wo man, zu allem übrigen Prunk, sich auch nach einem Hofpoeten umsah, der den Festlichkei¬ ten Schwung und Zierde geben und eine vor¬ übergehende Pracht verewigen könnte. Von König war gesitteter und glücklicher, er be¬ kleidete diese Stelle mit Würde und Beyfall.
In allen souverainen Staaten kommt der Gehalt für die Dichtkunst von oben herunter, und vielleicht war das Lustlager bey Mühl¬ berg der erste würdige, wo nicht nationelle, doch provinzielle Gegenstand, der vor einem Dichter auftrat. Zwey Könige, die sich in
und Wilde daran gehoͤrt ſeiner Zeit, ſeiner Lebensweiſe und beſonders ſeinem Character oder, wenn man will, ſeiner Characterloſig¬ keit. Er wußte ſich nicht zu zaͤhmen, und ſo zerrann ihm ſein Leben wie ſein Dichten.
Durch ein unfertiges Betragen hatte ſich Guͤnther das Gluͤck verſcherzt, an dem Hofe Auguſt's des zweyten angeſtellt zu werden, wo man, zu allem uͤbrigen Prunk, ſich auch nach einem Hofpoeten umſah, der den Feſtlichkei¬ ten Schwung und Zierde geben und eine vor¬ uͤbergehende Pracht verewigen koͤnnte. Von Koͤnig war geſitteter und gluͤcklicher, er be¬ kleidete dieſe Stelle mit Wuͤrde und Beyfall.
In allen ſouverainen Staaten kommt der Gehalt fuͤr die Dichtkunſt von oben herunter, und vielleicht war das Luſtlager bey Muͤhl¬ berg der erſte wuͤrdige, wo nicht nationelle, doch provinzielle Gegenſtand, der vor einem Dichter auftrat. Zwey Koͤnige, die ſich in
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und Wilde daran gehoͤrt ſeiner Zeit, ſeiner
Lebensweiſe und beſonders ſeinem Character
oder, wenn man will, ſeiner Characterloſig¬
keit. Er wußte ſich nicht zu zaͤhmen, und
ſo zerrann ihm ſein Leben wie ſein Dichten.
Durch ein unfertiges Betragen hatte ſich
Guͤnther das Gluͤck verſcherzt, an dem Hofe
Auguſt's des zweyten angeſtellt zu werden, wo
man, zu allem uͤbrigen Prunk, ſich auch nach
einem Hofpoeten umſah, der den Feſtlichkei¬
ten Schwung und Zierde geben und eine vor¬
uͤbergehende Pracht verewigen koͤnnte. Von
Koͤnig war geſitteter und gluͤcklicher, er be¬
kleidete dieſe Stelle mit Wuͤrde und Beyfall.
In allen ſouverainen Staaten kommt der
Gehalt fuͤr die Dichtkunſt von oben herunter,
und vielleicht war das Luſtlager bey Muͤhl¬
berg der erſte wuͤrdige, wo nicht nationelle,
doch provinzielle Gegenſtand, der vor einem
Dichter auftrat. Zwey Koͤnige, die ſich in
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/130>, abgerufen am 18.12.2024.
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