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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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ersten Bänden der allgemeinen deutschen Bi¬
bliothek ersehen. Der Comischen Erzählungen
geschieht ehrenvolle Erwähnung; aber hier ist
keine Spur von Einsicht in den Character
der Dichtart selbst. Der Recensent hatte sei¬
nen Geschmack, wie damals alle, an Bey¬
spielen gebildet. Hier ist nicht bedacht, daß
man vor allen Dingen bey Beurtheilung sol¬
cher parodistischen Werke den originalen ed¬
len, schönen Gegenstand vor Augen haben
müsse, um zu sehen, ob der Parodist ihm
wirklich eine schwache und comische Seite ab¬
gewonnen, ob er ihm etwas geborgt, oder,
unter dem Schein einer solchen Nachahmung,
vielleicht gar selbst eine treffliche Erfindung
geliefert? Von allem dem ahndet man nichts,
sondern die Gedichte werden stellenweis gelobt
und getadelt. Der Recensent hat, wie er
selbst gesteht, soviel was ihm gefallen ange¬
strichen, daß er nicht einmal im Druck alles
anführen kann. Kommt man nun gar der
höchst verdienstlichen Uebersetzung Shakespear's

erſten Baͤnden der allgemeinen deutſchen Bi¬
bliothek erſehen. Der Comiſchen Erzaͤhlungen
geſchieht ehrenvolle Erwaͤhnung; aber hier iſt
keine Spur von Einſicht in den Character
der Dichtart ſelbſt. Der Recenſent hatte ſei¬
nen Geſchmack, wie damals alle, an Bey¬
ſpielen gebildet. Hier iſt nicht bedacht, daß
man vor allen Dingen bey Beurtheilung ſol¬
cher parodiſtiſchen Werke den originalen ed¬
len, ſchoͤnen Gegenſtand vor Augen haben
muͤſſe, um zu ſehen, ob der Parodiſt ihm
wirklich eine ſchwache und comiſche Seite ab¬
gewonnen, ob er ihm etwas geborgt, oder,
unter dem Schein einer ſolchen Nachahmung,
vielleicht gar ſelbſt eine treffliche Erfindung
geliefert? Von allem dem ahndet man nichts,
ſondern die Gedichte werden ſtellenweis gelobt
und getadelt. Der Recenſent hat, wie er
ſelbſt geſteht, ſoviel was ihm gefallen ange¬
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[138/0146] erſten Baͤnden der allgemeinen deutſchen Bi¬ bliothek erſehen. Der Comiſchen Erzaͤhlungen geſchieht ehrenvolle Erwaͤhnung; aber hier iſt keine Spur von Einſicht in den Character der Dichtart ſelbſt. Der Recenſent hatte ſei¬ nen Geſchmack, wie damals alle, an Bey¬ ſpielen gebildet. Hier iſt nicht bedacht, daß man vor allen Dingen bey Beurtheilung ſol¬ cher parodiſtiſchen Werke den originalen ed¬ len, ſchoͤnen Gegenſtand vor Augen haben muͤſſe, um zu ſehen, ob der Parodiſt ihm wirklich eine ſchwache und comiſche Seite ab¬ gewonnen, ob er ihm etwas geborgt, oder, unter dem Schein einer ſolchen Nachahmung, vielleicht gar ſelbſt eine treffliche Erfindung geliefert? Von allem dem ahndet man nichts, ſondern die Gedichte werden ſtellenweis gelobt und getadelt. Der Recenſent hat, wie er ſelbſt geſteht, ſoviel was ihm gefallen ange¬ ſtrichen, daß er nicht einmal im Druck alles anfuͤhren kann. Kommt man nun gar der hoͤchſt verdienſtlichen Ueberſetzung Shakespear's

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/146>, abgerufen am 21.11.2024.