Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

lichen oder Unmöglichen, an die Stelle desje¬
nigen setzt, was der Mensch weder erlangen
noch entbehren kann. Ein solches Sacrament
dürfte aber nicht allein stehen; kein Christ kann
es mit wahrer Freude, wozu es gegeben ist,
genießen, wenn nicht der symbolische oder sa¬
cramentliche Sinn in ihm genährt ist. Er muß
gewohnt seyn, die innere Religion des Herzens
und die der äußeren Kirche als vollkommen
Eins anzusehen, als das große allgemeine Sa¬
crament, das sich wieder in soviel andere zer¬
gliedert und diesen Theilen seine Heiligkeit, Un¬
zerstörlichkeit und Ewigkeit mittheilt.

Hier reicht ein jugendliches Paar sich ein¬
ander die Hände, nicht zum vorübergehenden
Gruß oder zum Tanze; der Priester spricht
seinen Segen darüber aus, und das Band
ist unauflöslich. Es währt nicht lange, so
bringen diese Gatten ein Ebenbild an die
Schwelle des Altars, es wird mit heiligem
Wasser gereinigt und der Kirche dergestalt

lichen oder Unmoͤglichen, an die Stelle desje¬
nigen ſetzt, was der Menſch weder erlangen
noch entbehren kann. Ein ſolches Sacrament
duͤrfte aber nicht allein ſtehen; kein Chriſt kann
es mit wahrer Freude, wozu es gegeben iſt,
genießen, wenn nicht der ſymboliſche oder ſa¬
cramentliche Sinn in ihm genaͤhrt iſt. Er muß
gewohnt ſeyn, die innere Religion des Herzens
und die der aͤußeren Kirche als vollkommen
Eins anzuſehen, als das große allgemeine Sa¬
crament, das ſich wieder in ſoviel andere zer¬
gliedert und dieſen Theilen ſeine Heiligkeit, Un¬
zerſtoͤrlichkeit und Ewigkeit mittheilt.

Hier reicht ein jugendliches Paar ſich ein¬
ander die Haͤnde, nicht zum voruͤbergehenden
Gruß oder zum Tanze; der Prieſter ſpricht
ſeinen Segen daruͤber aus, und das Band
iſt unaufloͤslich. Es waͤhrt nicht lange, ſo
bringen dieſe Gatten ein Ebenbild an die
Schwelle des Altars, es wird mit heiligem
Waſſer gereinigt und der Kirche dergeſtalt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0189" n="181"/>
lichen oder Unmo&#x0364;glichen, an die Stelle desje¬<lb/>
nigen &#x017F;etzt, was der Men&#x017F;ch weder erlangen<lb/>
noch entbehren kann. Ein &#x017F;olches Sacrament<lb/>
du&#x0364;rfte aber nicht allein &#x017F;tehen; kein Chri&#x017F;t kann<lb/>
es mit wahrer Freude, wozu es gegeben i&#x017F;t,<lb/>
genießen, wenn nicht der &#x017F;ymboli&#x017F;che oder &#x017F;<lb/>
cramentliche Sinn in ihm gena&#x0364;hrt i&#x017F;t. Er muß<lb/>
gewohnt &#x017F;eyn, die innere Religion des Herzens<lb/>
und die der a&#x0364;ußeren Kirche als vollkommen<lb/>
Eins anzu&#x017F;ehen, als das große allgemeine Sa¬<lb/>
crament, das &#x017F;ich wieder in &#x017F;oviel andere zer¬<lb/>
gliedert und die&#x017F;en Theilen &#x017F;eine Heiligkeit, Un¬<lb/>
zer&#x017F;to&#x0364;rlichkeit und Ewigkeit mittheilt.</p><lb/>
        <p>Hier reicht ein jugendliches Paar &#x017F;ich ein¬<lb/>
ander die Ha&#x0364;nde, nicht zum voru&#x0364;bergehenden<lb/>
Gruß oder zum Tanze; der Prie&#x017F;ter &#x017F;pricht<lb/>
&#x017F;einen Segen daru&#x0364;ber aus, und das Band<lb/>
i&#x017F;t unauflo&#x0364;slich. Es wa&#x0364;hrt nicht lange, &#x017F;o<lb/>
bringen die&#x017F;e Gatten ein Ebenbild an die<lb/>
Schwelle des Altars, es wird mit heiligem<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er gereinigt und der Kirche derge&#x017F;talt<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[181/0189] lichen oder Unmoͤglichen, an die Stelle desje¬ nigen ſetzt, was der Menſch weder erlangen noch entbehren kann. Ein ſolches Sacrament duͤrfte aber nicht allein ſtehen; kein Chriſt kann es mit wahrer Freude, wozu es gegeben iſt, genießen, wenn nicht der ſymboliſche oder ſa¬ cramentliche Sinn in ihm genaͤhrt iſt. Er muß gewohnt ſeyn, die innere Religion des Herzens und die der aͤußeren Kirche als vollkommen Eins anzuſehen, als das große allgemeine Sa¬ crament, das ſich wieder in ſoviel andere zer¬ gliedert und dieſen Theilen ſeine Heiligkeit, Un¬ zerſtoͤrlichkeit und Ewigkeit mittheilt. Hier reicht ein jugendliches Paar ſich ein¬ ander die Haͤnde, nicht zum voruͤbergehenden Gruß oder zum Tanze; der Prieſter ſpricht ſeinen Segen daruͤber aus, und das Band iſt unaufloͤslich. Es waͤhrt nicht lange, ſo bringen dieſe Gatten ein Ebenbild an die Schwelle des Altars, es wird mit heiligem Waſſer gereinigt und der Kirche dergeſtalt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/189
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/189>, abgerufen am 13.05.2024.