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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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lich manches nachzuholen, und mich in mehr
als einem Sinne auf die Academie vorzube¬
reiten, die ich nun beziehen sollte; aber nichts
wollte mir schmecken noch gelingen. Gar man¬
ches erschien mir bekannt und trivial; zu
mehrerer Begründung fand ich weder eigne
Kraft noch äußere Gelegenheit, und ließ
mich daher durch die Liebhaberey meines
braven Stubennachbarn zu einem Studium
bewegen, das mir ganz neu und fremd war
und für lange Zeit ein weites Feld von Kennt¬
nissen und Betrachtungen darbot. Mein
Freund fing nämlich an, mich mit den phi¬
losophischen Geheimnissen bekannt zu machen.
Er hatte unter Daries in Jena studirt und
als ein sehr wohlgeordneter Kopf den Zusam¬
menhang jener Lehre scharf gefaßt, und so
suchte er sie auch mir beyzubringen. Aber
leider wollten diese Dinge in meinem Gehirn
auf eine solche Weise nicht zusammenhängen.
Ich that Fragen, die er später zu beantwor¬
ten, ich machte Forderungen, die er künftig zu

lich manches nachzuholen, und mich in mehr
als einem Sinne auf die Academie vorzube¬
reiten, die ich nun beziehen ſollte; aber nichts
wollte mir ſchmecken noch gelingen. Gar man¬
ches erſchien mir bekannt und trivial; zu
mehrerer Begruͤndung fand ich weder eigne
Kraft noch aͤußere Gelegenheit, und ließ
mich daher durch die Liebhaberey meines
braven Stubennachbarn zu einem Studium
bewegen, das mir ganz neu und fremd war
und fuͤr lange Zeit ein weites Feld von Kennt¬
niſſen und Betrachtungen darbot. Mein
Freund fing naͤmlich an, mich mit den phi¬
loſophiſchen Geheimniſſen bekannt zu machen.
Er hatte unter Daries in Jena ſtudirt und
als ein ſehr wohlgeordneter Kopf den Zuſam¬
menhang jener Lehre ſcharf gefaßt, und ſo
ſuchte er ſie auch mir beyzubringen. Aber
leider wollten dieſe Dinge in meinem Gehirn
auf eine ſolche Weiſe nicht zuſammenhaͤngen.
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[11/0019] lich manches nachzuholen, und mich in mehr als einem Sinne auf die Academie vorzube¬ reiten, die ich nun beziehen ſollte; aber nichts wollte mir ſchmecken noch gelingen. Gar man¬ ches erſchien mir bekannt und trivial; zu mehrerer Begruͤndung fand ich weder eigne Kraft noch aͤußere Gelegenheit, und ließ mich daher durch die Liebhaberey meines braven Stubennachbarn zu einem Studium bewegen, das mir ganz neu und fremd war und fuͤr lange Zeit ein weites Feld von Kennt¬ niſſen und Betrachtungen darbot. Mein Freund fing naͤmlich an, mich mit den phi¬ loſophiſchen Geheimniſſen bekannt zu machen. Er hatte unter Daries in Jena ſtudirt und als ein ſehr wohlgeordneter Kopf den Zuſam¬ menhang jener Lehre ſcharf gefaßt, und ſo ſuchte er ſie auch mir beyzubringen. Aber leider wollten dieſe Dinge in meinem Gehirn auf eine ſolche Weiſe nicht zuſammenhaͤngen. Ich that Fragen, die er ſpaͤter zu beantwor¬ ten, ich machte Forderungen, die er kuͤnftig zu

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/19>, abgerufen am 28.04.2024.