zu quälen hatten, um eine Anwendung der überlieferten Grundsätze zu treffen. Wahr¬ scheinlich war seine Absicht, an uns, die wir doch nicht Künstler werden sollten, nur die Einsicht und den Geschmack zu bilden, und uns mit den Erfordernissen eines Kunstwerks bekannt zu machen, ohne gerade zu verlan¬ gen, daß wir es hervorbringen sollten. Da nun der Fleiß ohnehin meine Sache nicht war: denn es machte mir nichts Vergnügen als was mich anflog; so wurde ich nach und nach wo nicht lässig doch mismuthig, und weil die Kenntniß bequemer ist als das Thun, so ließ ich mir gefallen, wohin er uns nach seiner Weise zu führen gedachte.
Zu jener Zeit war das Leben der Ma¬ ler von D'Argenville ins Deutsche über¬ setzt, ich erhielt es ganz frisch und studirte es emsig genug. Dieß schien Oesern zu gefallen, und er verschaffte uns Gelegenheit, aus den großen Leipziger Sammlungen manches Por¬
zu quaͤlen hatten, um eine Anwendung der uͤberlieferten Grundſaͤtze zu treffen. Wahr¬ ſcheinlich war ſeine Abſicht, an uns, die wir doch nicht Kuͤnſtler werden ſollten, nur die Einſicht und den Geſchmack zu bilden, und uns mit den Erforderniſſen eines Kunſtwerks bekannt zu machen, ohne gerade zu verlan¬ gen, daß wir es hervorbringen ſollten. Da nun der Fleiß ohnehin meine Sache nicht war: denn es machte mir nichts Vergnuͤgen als was mich anflog; ſo wurde ich nach und nach wo nicht laͤſſig doch mismuthig, und weil die Kenntniß bequemer iſt als das Thun, ſo ließ ich mir gefallen, wohin er uns nach ſeiner Weiſe zu fuͤhren gedachte.
Zu jener Zeit war das Leben der Ma¬ ler von D'Argenville ins Deutſche uͤber¬ ſetzt, ich erhielt es ganz friſch und ſtudirte es emſig genug. Dieß ſchien Oeſern zu gefallen, und er verſchaffte uns Gelegenheit, aus den großen Leipziger Sammlungen manches Por¬
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zu quaͤlen hatten, um eine Anwendung der
uͤberlieferten Grundſaͤtze zu treffen. Wahr¬
ſcheinlich war ſeine Abſicht, an uns, die wir
doch nicht Kuͤnſtler werden ſollten, nur die
Einſicht und den Geſchmack zu bilden, und
uns mit den Erforderniſſen eines Kunſtwerks
bekannt zu machen, ohne gerade zu verlan¬
gen, daß wir es hervorbringen ſollten. Da
nun der Fleiß ohnehin meine Sache nicht
war: denn es machte mir nichts Vergnuͤgen
als was mich anflog; ſo wurde ich nach und
nach wo nicht laͤſſig doch mismuthig, und
weil die Kenntniß bequemer iſt als das Thun,
ſo ließ ich mir gefallen, wohin er uns nach
ſeiner Weiſe zu fuͤhren gedachte.
Zu jener Zeit war das Leben der Ma¬
ler von D'Argenville ins Deutſche uͤber¬
ſetzt, ich erhielt es ganz friſch und ſtudirte es
emſig genug. Dieß ſchien Oeſern zu gefallen,
und er verſchaffte uns Gelegenheit, aus den
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/248>, abgerufen am 24.11.2024.
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