Nachtisch und ausgesuchteren Wein unserm Gast zu willfahren, der, als ein großer, wohl¬ gestalteter, behaglicher Mann, seine Neigung zu einer guten Tafel nicht verhehlte. Lessing traf zu einer Zeit ein, wo wir ich weiß nicht was im Kopf hatten: es beliebte uns, ihm nirgends zu gefallen zu gehen, ja die Orte, wo er hinkam, zu vermeiden, wahrscheinlich weil wir uns zu gut dünkten, von ferne zu stehen, und keinen Anspruch machen konnten, in ein näheres Verhältniß mit ihm zu gelan¬ gen. Diese augenblickliche Albernheit, die aber bey einer anmaßlichen und grillenhaften Ju¬ gend nichts seltenes ist, bestrafte sich freylich in der Folge, indem ich diesen so vorzügli¬ chen und von mir aufs höchste geschätzten Mann niemals mit Augen gesehen.
Bey allen Bemühungen jedoch, welche sich auf Kunst und Alterthum bezogen, hatte je¬ der stets Winkelmann vor Augen, dessen Tüchtigkeit im Vaterlande mit Enthusiasmus an¬
Nachtiſch und ausgeſuchteren Wein unſerm Gaſt zu willfahren, der, als ein großer, wohl¬ geſtalteter, behaglicher Mann, ſeine Neigung zu einer guten Tafel nicht verhehlte. Leſſing traf zu einer Zeit ein, wo wir ich weiß nicht was im Kopf hatten: es beliebte uns, ihm nirgends zu gefallen zu gehen, ja die Orte, wo er hinkam, zu vermeiden, wahrſcheinlich weil wir uns zu gut duͤnkten, von ferne zu ſtehen, und keinen Anſpruch machen konnten, in ein naͤheres Verhaͤltniß mit ihm zu gelan¬ gen. Dieſe augenblickliche Albernheit, die aber bey einer anmaßlichen und grillenhaften Ju¬ gend nichts ſeltenes iſt, beſtrafte ſich freylich in der Folge, indem ich dieſen ſo vorzuͤgli¬ chen und von mir aufs hoͤchſte geſchaͤtzten Mann niemals mit Augen geſehen.
Bey allen Bemuͤhungen jedoch, welche ſich auf Kunſt und Alterthum bezogen, hatte je¬ der ſtets Winkelmann vor Augen, deſſen Tuͤchtigkeit im Vaterlande mit Enthuſiasmus an¬
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Nachtiſch und ausgeſuchteren Wein unſerm
Gaſt zu willfahren, der, als ein großer, wohl¬
geſtalteter, behaglicher Mann, ſeine Neigung
zu einer guten Tafel nicht verhehlte. Leſſing
traf zu einer Zeit ein, wo wir ich weiß nicht
was im Kopf hatten: es beliebte uns, ihm
nirgends zu gefallen zu gehen, ja die Orte,
wo er hinkam, zu vermeiden, wahrſcheinlich
weil wir uns zu gut duͤnkten, von ferne zu
ſtehen, und keinen Anſpruch machen konnten,
in ein naͤheres Verhaͤltniß mit ihm zu gelan¬
gen. Dieſe augenblickliche Albernheit, die aber
bey einer anmaßlichen und grillenhaften Ju¬
gend nichts ſeltenes iſt, beſtrafte ſich freylich
in der Folge, indem ich dieſen ſo vorzuͤgli¬
chen und von mir aufs hoͤchſte geſchaͤtzten
Mann niemals mit Augen geſehen.
Bey allen Bemuͤhungen jedoch, welche ſich
auf Kunſt und Alterthum bezogen, hatte je¬
der ſtets Winkelmann vor Augen, deſſen
Tuͤchtigkeit im Vaterlande mit Enthuſiasmus an¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/284>, abgerufen am 24.11.2024.
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