bedeutend noch schön, sprachen von einem Wesen, das weder mit sich einig war, noch werden konnte. Ihre Augen waren nicht die schönsten, die ich jemals sah, aber die tief¬ sten, hinter denen man am meisten erwartete, und wenn sie irgend eine Neigung, eine Lie¬ be ausdrückten, einen Glanz hatten ohne Glei¬ chen; und doch war dieser Ausdruck eigentlich nicht zärtlich, wie der, der aus dem Herzen kommt und zugleich etwas Sehnsüchtiges und Verlangendes mit sich führt; dieser Ausdruck kam aus der Seele, er war voll und reich, er schien nur geben zu wollen, nicht des Em¬ pfangens zu bedürfen.
Was ihr Gesicht aber ganz eigentlich ent¬ stellte, so daß sie manchmal wirklich häßlich aussehen konnte, war die Mode jener Zeit, welche nicht allein die Stirn entblößte, son¬ dern auch alles that, um sie scheinbar oder wirklich, zufällig oder vorsätzlich zu vergrö¬ ßern. Da sie nun die weiblichste, reingewölb¬
bedeutend noch ſchoͤn, ſprachen von einem Weſen, das weder mit ſich einig war, noch werden konnte. Ihre Augen waren nicht die ſchoͤnſten, die ich jemals ſah, aber die tief¬ ſten, hinter denen man am meiſten erwartete, und wenn ſie irgend eine Neigung, eine Lie¬ be ausdruͤckten, einen Glanz hatten ohne Glei¬ chen; und doch war dieſer Ausdruck eigentlich nicht zaͤrtlich, wie der, der aus dem Herzen kommt und zugleich etwas Sehnſuͤchtiges und Verlangendes mit ſich fuͤhrt; dieſer Ausdruck kam aus der Seele, er war voll und reich, er ſchien nur geben zu wollen, nicht des Em¬ pfangens zu beduͤrfen.
Was ihr Geſicht aber ganz eigentlich ent¬ ſtellte, ſo daß ſie manchmal wirklich haͤßlich ausſehen konnte, war die Mode jener Zeit, welche nicht allein die Stirn entbloͤßte, ſon¬ dern auch alles that, um ſie ſcheinbar oder wirklich, zufaͤllig oder vorſaͤtzlich zu vergroͤ¬ ßern. Da ſie nun die weiblichſte, reingewoͤlb¬
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bedeutend noch ſchoͤn, ſprachen von einem
Weſen, das weder mit ſich einig war, noch
werden konnte. Ihre Augen waren nicht die
ſchoͤnſten, die ich jemals ſah, aber die tief¬
ſten, hinter denen man am meiſten erwartete,
und wenn ſie irgend eine Neigung, eine Lie¬
be ausdruͤckten, einen Glanz hatten ohne Glei¬
chen; und doch war dieſer Ausdruck eigentlich
nicht zaͤrtlich, wie der, der aus dem Herzen
kommt und zugleich etwas Sehnſuͤchtiges und
Verlangendes mit ſich fuͤhrt; dieſer Ausdruck
kam aus der Seele, er war voll und reich,
er ſchien nur geben zu wollen, nicht des Em¬
pfangens zu beduͤrfen.
Was ihr Geſicht aber ganz eigentlich ent¬
ſtellte, ſo daß ſie manchmal wirklich haͤßlich
ausſehen konnte, war die Mode jener Zeit,
welche nicht allein die Stirn entbloͤßte, ſon¬
dern auch alles that, um ſie ſcheinbar oder
wirklich, zufaͤllig oder vorſaͤtzlich zu vergroͤ¬
ßern. Da ſie nun die weiblichſte, reingewoͤlb¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/40>, abgerufen am 23.11.2024.
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