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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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die zuvorkommende Dienstfertigkeit dieses An¬
gestellten gerühmt habe. Nein! solche Wuth
eines Menschen gegen sich selbst ist mir nie
wieder vorgekommen; es war die leidenschaft¬
lichste Schlußrede zu jenen Anfängen, wozu
das hübsche Mädchen Anlaß gegeben hatte.
Hier sah ich Reue und Buße bis zur Cari¬
catur getrieben, und, wie alle Leidenschaft
das Genie ersetzt, wirklich genialisch. Denn
er nahm die sämmtlichen Vorfallenheiten un¬
serer Nachmittagswanderung wieder auf, be¬
nutzte sie rednerisch zur Selbstscheltung, ließ
zuletzt die Hexe nochmals gegen sich auftre¬
ten, und verwirrte sich dergestalt, daß ich
fürchten mußte, er werde sich in den Rhein
stürzen. Wäre ich sicher gewesen, ihn, wie
Mentor seinen Telemach, schnell wieder auf¬
zufischen, so mochte er springen, und ich hät¬
te ihn für dießmal abgekühlt nach Hause ge¬
bracht.

die zuvorkommende Dienſtfertigkeit dieſes An¬
geſtellten geruͤhmt habe. Nein! ſolche Wuth
eines Menſchen gegen ſich ſelbſt iſt mir nie
wieder vorgekommen; es war die leidenſchaft¬
lichſte Schlußrede zu jenen Anfaͤngen, wozu
das huͤbſche Maͤdchen Anlaß gegeben hatte.
Hier ſah ich Reue und Buße bis zur Cari¬
catur getrieben, und, wie alle Leidenſchaft
das Genie erſetzt, wirklich genialiſch. Denn
er nahm die ſaͤmmtlichen Vorfallenheiten un¬
ſerer Nachmittagswanderung wieder auf, be¬
nutzte ſie redneriſch zur Selbſtſcheltung, ließ
zuletzt die Hexe nochmals gegen ſich auftre¬
ten, und verwirrte ſich dergeſtalt, daß ich
fuͤrchten mußte, er werde ſich in den Rhein
ſtuͤrzen. Waͤre ich ſicher geweſen, ihn, wie
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zufiſchen, ſo mochte er ſpringen, und ich haͤt¬
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[407/0415] die zuvorkommende Dienſtfertigkeit dieſes An¬ geſtellten geruͤhmt habe. Nein! ſolche Wuth eines Menſchen gegen ſich ſelbſt iſt mir nie wieder vorgekommen; es war die leidenſchaft¬ lichſte Schlußrede zu jenen Anfaͤngen, wozu das huͤbſche Maͤdchen Anlaß gegeben hatte. Hier ſah ich Reue und Buße bis zur Cari¬ catur getrieben, und, wie alle Leidenſchaft das Genie erſetzt, wirklich genialiſch. Denn er nahm die ſaͤmmtlichen Vorfallenheiten un¬ ſerer Nachmittagswanderung wieder auf, be¬ nutzte ſie redneriſch zur Selbſtſcheltung, ließ zuletzt die Hexe nochmals gegen ſich auftre¬ ten, und verwirrte ſich dergeſtalt, daß ich fuͤrchten mußte, er werde ſich in den Rhein ſtuͤrzen. Waͤre ich ſicher geweſen, ihn, wie Mentor ſeinen Telemach, ſchnell wieder auf¬ zufiſchen, ſo mochte er ſpringen, und ich haͤt¬ te ihn fuͤr dießmal abgekuͤhlt nach Hauſe ge¬ bracht.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/415>, abgerufen am 26.11.2024.