versehens und auf einmal. Sie kannte ihn, sie schätzte ihn, und er verdiente es. Sie war oft bey unseren englischen Unterhaltungen die Dritte gewesen, wir hatten aus seinem Munde uns beyde die Wunderlichkeiten der englischen Aussprache anzueignen gesucht, und uns dadurch nicht nur das Besondere ihres Tones und Klanges, sondern sogar das Be¬ sonderste der persönlichen Eigenheiten unseres Lehrers angewöhnt, so daß es zuletzt seltsam genug klang, wenn wir zusammen wie aus Einem Munde zu reden schienen. Seine Be¬ mühung, von uns auf gleiche Weise so viel vom Deutschen zu lernen, wollte nicht gelin¬ gen, und ich glaube bemerkt zu haben, daß auch jener kleine Liebeshandel, sowohl schrift¬ lich als mündlich, in englischer Sprache durch¬ geführt wurde. Beyde junge Personen schick¬ ten sich recht gut für einander: er war groß und wohlgebaut, wie sie, nur noch schlanker; sein Gesicht, klein und eng beysammen, hätte wirklich hübsch seyn können, wäre es durch
verſehens und auf einmal. Sie kannte ihn, ſie ſchaͤtzte ihn, und er verdiente es. Sie war oft bey unſeren engliſchen Unterhaltungen die Dritte geweſen, wir hatten aus ſeinem Munde uns beyde die Wunderlichkeiten der engliſchen Ausſprache anzueignen geſucht, und uns dadurch nicht nur das Beſondere ihres Tones und Klanges, ſondern ſogar das Be¬ ſonderſte der perſoͤnlichen Eigenheiten unſeres Lehrers angewoͤhnt, ſo daß es zuletzt ſeltſam genug klang, wenn wir zuſammen wie aus Einem Munde zu reden ſchienen. Seine Be¬ muͤhung, von uns auf gleiche Weiſe ſo viel vom Deutſchen zu lernen, wollte nicht gelin¬ gen, und ich glaube bemerkt zu haben, daß auch jener kleine Liebeshandel, ſowohl ſchrift¬ lich als muͤndlich, in engliſcher Sprache durch¬ gefuͤhrt wurde. Beyde junge Perſonen ſchick¬ ten ſich recht gut fuͤr einander: er war groß und wohlgebaut, wie ſie, nur noch ſchlanker; ſein Geſicht, klein und eng beyſammen, haͤtte wirklich huͤbſch ſeyn koͤnnen, waͤre es durch
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verſehens und auf einmal. Sie kannte ihn,
ſie ſchaͤtzte ihn, und er verdiente es. Sie
war oft bey unſeren engliſchen Unterhaltungen
die Dritte geweſen, wir hatten aus ſeinem
Munde uns beyde die Wunderlichkeiten der
engliſchen Ausſprache anzueignen geſucht, und
uns dadurch nicht nur das Beſondere ihres
Tones und Klanges, ſondern ſogar das Be¬
ſonderſte der perſoͤnlichen Eigenheiten unſeres
Lehrers angewoͤhnt, ſo daß es zuletzt ſeltſam
genug klang, wenn wir zuſammen wie aus
Einem Munde zu reden ſchienen. Seine Be¬
muͤhung, von uns auf gleiche Weiſe ſo viel
vom Deutſchen zu lernen, wollte nicht gelin¬
gen, und ich glaube bemerkt zu haben, daß
auch jener kleine Liebeshandel, ſowohl ſchrift¬
lich als muͤndlich, in engliſcher Sprache durch¬
gefuͤhrt wurde. Beyde junge Perſonen ſchick¬
ten ſich recht gut fuͤr einander: er war groß
und wohlgebaut, wie ſie, nur noch ſchlanker;
ſein Geſicht, klein und eng beyſammen, haͤtte
wirklich huͤbſch ſeyn koͤnnen, waͤre es durch
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/45>, abgerufen am 21.11.2024.
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