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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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die Blattern nicht allzusehr entstellt gewesen;
sein Betragen war ruhig, bestimmt, man
durfte es wohl manchmal trocken und kalt
nennen; aber sein Herz war voll Güte und
Liebe, seine Seele voll Edelmuth und seine
Neigungen so dauernd als entschieden und
gelassen. Nun zeichnete sich dieses ernste Paar,
das sich erst neuerlich zusammengefunden hat¬
te, unter den anderen ganz eigen aus, die
schon mehr mit einander bekannt, von leich¬
teren Characteren, sorglos wegen der Zukunft,
sich in jenen Verhältnissen leichtsinnig herum¬
trieben, die gewöhnlich nur als ein fruchtlo¬
ses Vorspiel künftiger ernsterer Verbindungen
vorübergehen, und sehr selten eine dauernde
Folge auf das Leben bewirken.

Die gute Jahrszeit, die schöne Gegend
blieb für eine so muntere Gesellschaft nicht
unbenutzt; Wasserfahrten stellte man häufig
an, weil diese die geselligsten von allen Lust¬
partieen sind. Wir mochten uns jedoch zu

die Blattern nicht allzuſehr entſtellt geweſen;
ſein Betragen war ruhig, beſtimmt, man
durfte es wohl manchmal trocken und kalt
nennen; aber ſein Herz war voll Guͤte und
Liebe, ſeine Seele voll Edelmuth und ſeine
Neigungen ſo dauernd als entſchieden und
gelaſſen. Nun zeichnete ſich dieſes ernſte Paar,
das ſich erſt neuerlich zuſammengefunden hat¬
te, unter den anderen ganz eigen aus, die
ſchon mehr mit einander bekannt, von leich¬
teren Characteren, ſorglos wegen der Zukunft,
ſich in jenen Verhaͤltniſſen leichtſinnig herum¬
trieben, die gewoͤhnlich nur als ein fruchtlo¬
ſes Vorſpiel kuͤnftiger ernſterer Verbindungen
voruͤbergehen, und ſehr ſelten eine dauernde
Folge auf das Leben bewirken.

Die gute Jahrszeit, die ſchoͤne Gegend
blieb fuͤr eine ſo muntere Geſellſchaft nicht
unbenutzt; Waſſerfahrten ſtellte man haͤufig
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partieen ſind. Wir mochten uns jedoch zu

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[38/0046] die Blattern nicht allzuſehr entſtellt geweſen; ſein Betragen war ruhig, beſtimmt, man durfte es wohl manchmal trocken und kalt nennen; aber ſein Herz war voll Guͤte und Liebe, ſeine Seele voll Edelmuth und ſeine Neigungen ſo dauernd als entſchieden und gelaſſen. Nun zeichnete ſich dieſes ernſte Paar, das ſich erſt neuerlich zuſammengefunden hat¬ te, unter den anderen ganz eigen aus, die ſchon mehr mit einander bekannt, von leich¬ teren Characteren, ſorglos wegen der Zukunft, ſich in jenen Verhaͤltniſſen leichtſinnig herum¬ trieben, die gewoͤhnlich nur als ein fruchtlo¬ ſes Vorſpiel kuͤnftiger ernſterer Verbindungen voruͤbergehen, und ſehr ſelten eine dauernde Folge auf das Leben bewirken. Die gute Jahrszeit, die ſchoͤne Gegend blieb fuͤr eine ſo muntere Geſellſchaft nicht unbenutzt; Waſſerfahrten ſtellte man haͤufig an, weil dieſe die geſelligſten von allen Luſt¬ partieen ſind. Wir mochten uns jedoch zu

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/46>, abgerufen am 28.04.2024.