Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

-- Alles guet, sagte ich und deutete auf den
Kuchen, ohne aufzusehen. Sie faßte die
Serviette und murrte: Nun was hast du
heute wieder? hat Bärbchen wieder einmal
einen Andern angesehn? Laß es uns nicht ent¬
gelten! Das wird eine saubere Ehe werden,
wenn's so fort geht. Da sie ziemlich laut
sprach, kam der Pfarrer ans Fenster und
fragte, was es gebe? Sie bedeutete ihn; ich
stand auf und kehrte mich nach ihm zu, doch
hielt ich den Hut wieder über's Gesicht. Als
er etwas Freundliches gesprochen und mich zu
bleiben geheißen hatte, ging ich nach dem
Garten und wollte eben hineintreten, als die
Pfarrinn, die zum Hofthore hereinkam, mich
anrief. Da mir die Sonne gerade in's Ge¬
sicht schien, so bediente ich mich abermals des
Vortheils, den mir der Hut gewährte, grü߬
te sie mit einem Scharrfuß, sie aber ging in
das Haus, nachdem sie mir zugesprochen hat¬
te, ich möchte nicht weggehen, ohne etwas

— Alles guet, ſagte ich und deutete auf den
Kuchen, ohne aufzuſehen. Sie faßte die
Serviette und murrte: Nun was haſt du
heute wieder? hat Baͤrbchen wieder einmal
einen Andern angeſehn? Laß es uns nicht ent¬
gelten! Das wird eine ſaubere Ehe werden,
wenn's ſo fort geht. Da ſie ziemlich laut
ſprach, kam der Pfarrer ans Fenſter und
fragte, was es gebe? Sie bedeutete ihn; ich
ſtand auf und kehrte mich nach ihm zu, doch
hielt ich den Hut wieder uͤber's Geſicht. Als
er etwas Freundliches geſprochen und mich zu
bleiben geheißen hatte, ging ich nach dem
Garten und wollte eben hineintreten, als die
Pfarrinn, die zum Hofthore hereinkam, mich
anrief. Da mir die Sonne gerade in's Ge¬
ſicht ſchien, ſo bediente ich mich abermals des
Vortheils, den mir der Hut gewaͤhrte, gruͤ߬
te ſie mit einem Scharrfuß, ſie aber ging in
das Haus, nachdem ſie mir zugeſprochen hat¬
te, ich moͤchte nicht weggehen, ohne etwas

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0563" n="555"/>
&#x2014; Alles guet, &#x017F;agte ich und deutete auf den<lb/>
Kuchen, ohne aufzu&#x017F;ehen. Sie faßte die<lb/>
Serviette und murrte: Nun was ha&#x017F;t du<lb/>
heute wieder? hat Ba&#x0364;rbchen wieder einmal<lb/>
einen Andern ange&#x017F;ehn? Laß es uns nicht ent¬<lb/>
gelten! Das wird eine &#x017F;aubere Ehe werden,<lb/>
wenn's &#x017F;o fort geht. Da &#x017F;ie ziemlich laut<lb/>
&#x017F;prach, kam der Pfarrer ans Fen&#x017F;ter und<lb/>
fragte, was es gebe? Sie bedeutete ihn; ich<lb/>
&#x017F;tand auf und kehrte mich nach ihm zu, doch<lb/>
hielt ich den Hut wieder u&#x0364;ber's Ge&#x017F;icht. Als<lb/>
er etwas Freundliches ge&#x017F;prochen und mich zu<lb/>
bleiben geheißen hatte, ging ich nach dem<lb/>
Garten und wollte eben hineintreten, als die<lb/>
Pfarrinn, die zum Hofthore hereinkam, mich<lb/>
anrief. Da mir die Sonne gerade in's Ge¬<lb/>
&#x017F;icht &#x017F;chien, &#x017F;o bediente ich mich abermals des<lb/>
Vortheils, den mir der Hut gewa&#x0364;hrte, gru&#x0364;߬<lb/>
te &#x017F;ie mit einem Scharrfuß, &#x017F;ie aber ging in<lb/>
das Haus, nachdem &#x017F;ie mir zuge&#x017F;prochen hat¬<lb/>
te, ich mo&#x0364;chte nicht weggehen, ohne etwas<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[555/0563] — Alles guet, ſagte ich und deutete auf den Kuchen, ohne aufzuſehen. Sie faßte die Serviette und murrte: Nun was haſt du heute wieder? hat Baͤrbchen wieder einmal einen Andern angeſehn? Laß es uns nicht ent¬ gelten! Das wird eine ſaubere Ehe werden, wenn's ſo fort geht. Da ſie ziemlich laut ſprach, kam der Pfarrer ans Fenſter und fragte, was es gebe? Sie bedeutete ihn; ich ſtand auf und kehrte mich nach ihm zu, doch hielt ich den Hut wieder uͤber's Geſicht. Als er etwas Freundliches geſprochen und mich zu bleiben geheißen hatte, ging ich nach dem Garten und wollte eben hineintreten, als die Pfarrinn, die zum Hofthore hereinkam, mich anrief. Da mir die Sonne gerade in's Ge¬ ſicht ſchien, ſo bediente ich mich abermals des Vortheils, den mir der Hut gewaͤhrte, gruͤ߬ te ſie mit einem Scharrfuß, ſie aber ging in das Haus, nachdem ſie mir zugeſprochen hat¬ te, ich moͤchte nicht weggehen, ohne etwas

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/563
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/563>, abgerufen am 13.05.2024.