In Darmstadt befand sich übrigens eine Gesellschaft von sehr gebildeten Männern. Geheimerath von Heß, Minister des Land¬ grafen, Professor Petersen, Rector Wenk und andere waren die Einheimischen, zu de¬ ren Werth sich manche fremde Benachbarte und viele Durchreisende abwechselnd gesellten. Die Geheimeräthinn von Heß und ihre Schwester, Demoiselle Flachsland, waren Frauenzimmer von seltenen Verdiensten und Anlagen, die letztre, Herders Braut, doppelt interessant durch ihre Eigenschaften und ihre Neigung zu einem so vortrefflichen Manne.
Wie sehr dieser Kreis mich belebte und för¬ derte, wäre nicht auszusprechen. Man hörte gern die Vorlesung meiner gefertigten oder angefangenen Arbeiten, man munterte mich auf, wenn ich offen und umständlich erzählte, was ich eben vorhatte, und schalt mich, wenn ich bey jedem neuen Anlaß das Früherbegon¬ nene zurücksetzte. Faust war schon vorgeruckt,
10 *
In Darmſtadt befand ſich uͤbrigens eine Geſellſchaft von ſehr gebildeten Maͤnnern. Geheimerath von Heß, Miniſter des Land¬ grafen, Profeſſor Peterſen, Rector Wenk und andere waren die Einheimiſchen, zu de¬ ren Werth ſich manche fremde Benachbarte und viele Durchreiſende abwechſelnd geſellten. Die Geheimeraͤthinn von Heß und ihre Schweſter, Demoiſelle Flachsland, waren Frauenzimmer von ſeltenen Verdienſten und Anlagen, die letztre, Herders Braut, doppelt intereſſant durch ihre Eigenſchaften und ihre Neigung zu einem ſo vortrefflichen Manne.
Wie ſehr dieſer Kreis mich belebte und foͤr¬ derte, waͤre nicht auszuſprechen. Man hoͤrte gern die Vorleſung meiner gefertigten oder angefangenen Arbeiten, man munterte mich auf, wenn ich offen und umſtaͤndlich erzaͤhlte, was ich eben vorhatte, und ſchalt mich, wenn ich bey jedem neuen Anlaß das Fruͤherbegon¬ nene zuruͤckſetzte. Fauſt war ſchon vorgeruckt,
10 *
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0155"n="147"/><p>In Darmſtadt befand ſich uͤbrigens eine<lb/>
Geſellſchaft von ſehr gebildeten Maͤnnern.<lb/>
Geheimerath <hirendition="#g">von Heß</hi>, Miniſter des Land¬<lb/>
grafen, Profeſſor <hirendition="#g">Peterſen</hi>, Rector <hirendition="#g">Wenk</hi><lb/>
und andere waren die Einheimiſchen, zu de¬<lb/>
ren Werth ſich manche fremde Benachbarte<lb/>
und viele Durchreiſende abwechſelnd geſellten.<lb/>
Die Geheimeraͤthinn <hirendition="#g">von Heß</hi> und ihre<lb/>
Schweſter, Demoiſelle <hirendition="#g">Flachsland</hi>, waren<lb/>
Frauenzimmer von ſeltenen Verdienſten und<lb/>
Anlagen, die letztre, Herders Braut, doppelt<lb/>
intereſſant durch ihre Eigenſchaften und ihre<lb/>
Neigung zu einem ſo vortrefflichen Manne.</p><lb/><p>Wie ſehr dieſer Kreis mich belebte und foͤr¬<lb/>
derte, waͤre nicht auszuſprechen. Man hoͤrte<lb/>
gern die Vorleſung meiner gefertigten oder<lb/>
angefangenen Arbeiten, man munterte mich<lb/>
auf, wenn ich offen und umſtaͤndlich erzaͤhlte,<lb/>
was ich eben vorhatte, und ſchalt mich, wenn<lb/>
ich bey jedem neuen Anlaß das Fruͤherbegon¬<lb/>
nene zuruͤckſetzte. <hirendition="#g">Fauſt</hi> war ſchon vorgeruckt,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">10 *<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[147/0155]
In Darmſtadt befand ſich uͤbrigens eine
Geſellſchaft von ſehr gebildeten Maͤnnern.
Geheimerath von Heß, Miniſter des Land¬
grafen, Profeſſor Peterſen, Rector Wenk
und andere waren die Einheimiſchen, zu de¬
ren Werth ſich manche fremde Benachbarte
und viele Durchreiſende abwechſelnd geſellten.
Die Geheimeraͤthinn von Heß und ihre
Schweſter, Demoiſelle Flachsland, waren
Frauenzimmer von ſeltenen Verdienſten und
Anlagen, die letztre, Herders Braut, doppelt
intereſſant durch ihre Eigenſchaften und ihre
Neigung zu einem ſo vortrefflichen Manne.
Wie ſehr dieſer Kreis mich belebte und foͤr¬
derte, waͤre nicht auszuſprechen. Man hoͤrte
gern die Vorleſung meiner gefertigten oder
angefangenen Arbeiten, man munterte mich
auf, wenn ich offen und umſtaͤndlich erzaͤhlte,
was ich eben vorhatte, und ſchalt mich, wenn
ich bey jedem neuen Anlaß das Fruͤherbegon¬
nene zuruͤckſetzte. Fauſt war ſchon vorgeruckt,
10 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/155>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.