Der Aktuarius nahm über diese schonende Behandlung von Wilhelmen ein aufrichtiges Lob an, ob er gleich eigentlich dadurch nur das vor dem Amthause versammelte Volk necken, und ihm das angenehme Schauspiel einer gedemüthigten Mitbürgerin entziehen wollte.
Der Amtmann, der von solchen außeror¬ dentlichen Fällen kein sonderlicher Liebhaber war, weil er meistentheils dabey einen und den andern Fehler machte, und für den be¬ sten Willen gewöhnlich von fürstlicher Regie¬ rung mit einem derben Verweise belohnt wurde, ging mit schweren Schritten nach der Amtsstube, wohin ihm der Aktuarius, Wil¬ helm und einige angesehene Bürger folgten.
Zuerst ward die Schöne vorgeführt, die, ohne Frechheit, gelassen und mit Bewußtseyn ihrer selbst hereintrat. Die Art, wie sie ge¬ kleidet war und sich überhaupt betrug, zeigte,
W. Meisters Lehrj. H
Der Aktuarius nahm über dieſe ſchonende Behandlung von Wilhelmen ein aufrichtiges Lob an, ob er gleich eigentlich dadurch nur das vor dem Amthauſe verſammelte Volk necken, und ihm das angenehme Schauſpiel einer gedemüthigten Mitbürgerin entziehen wollte.
Der Amtmann, der von ſolchen außeror¬ dentlichen Fällen kein ſonderlicher Liebhaber war, weil er meiſtentheils dabey einen und den andern Fehler machte, und für den be¬ ſten Willen gewöhnlich von fürſtlicher Regie¬ rung mit einem derben Verweiſe belohnt wurde, ging mit ſchweren Schritten nach der Amtsſtube, wohin ihm der Aktuarius, Wil¬ helm und einige angeſehene Bürger folgten.
Zuerſt ward die Schöne vorgeführt, die, ohne Frechheit, gelaſſen und mit Bewußtſeyn ihrer ſelbſt hereintrat. Die Art, wie ſie ge¬ kleidet war und ſich überhaupt betrug, zeigte,
W. Meiſters Lehrj. H
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[113/0121]
Der Aktuarius nahm über dieſe ſchonende
Behandlung von Wilhelmen ein aufrichtiges
Lob an, ob er gleich eigentlich dadurch nur
das vor dem Amthauſe verſammelte Volk
necken, und ihm das angenehme Schauſpiel
einer gedemüthigten Mitbürgerin entziehen
wollte.
Der Amtmann, der von ſolchen außeror¬
dentlichen Fällen kein ſonderlicher Liebhaber
war, weil er meiſtentheils dabey einen und
den andern Fehler machte, und für den be¬
ſten Willen gewöhnlich von fürſtlicher Regie¬
rung mit einem derben Verweiſe belohnt
wurde, ging mit ſchweren Schritten nach der
Amtsſtube, wohin ihm der Aktuarius, Wil¬
helm und einige angeſehene Bürger folgten.
Zuerſt ward die Schöne vorgeführt, die,
ohne Frechheit, gelaſſen und mit Bewußtſeyn
ihrer ſelbſt hereintrat. Die Art, wie ſie ge¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/121>, abgerufen am 26.11.2024.
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