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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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gehaltenen ankündigten. Ihre Bildung war
nicht regelmäßig aber auffallend; ihre Stirne
geheimnißvoll, ihre Nase ausserordentlich
schön, und der Mund, ob er schon für ihr
Alter zu sehr geschlossen schien, und sie manch¬
mal mit den Lippen nach einer Seite zuckte,
noch immer treuherzig und reizend genug.
Ihre bräunliche Gesichtsfarbe konnte man
durch die Schminke kaum erkennen. Diese
Gestalt prägte sich Wilhelmen sehr tief ein;
er sah sie noch immer an, schwieg und ver¬
gaß der Gegenwärtigen über seinen Betrach¬
tungen. Philine weckte ihn aus seinem Halb¬
traume, indem sie dem Kinde etwas übrigge¬
bliebenes Zuckerwerk reichte, und ihm ein
Zeichen gab, sich zu entfernen. Es machte
seinen Bückling, wie oben, und fuhr blitz¬
schnell zur Thüre hinaus.

Die Zeit kam nunmehr herbey, daß unse¬
re neue Bekannten sich für diesen Abend

gehaltenen ankündigten. Ihre Bildung war
nicht regelmäßig aber auffallend; ihre Stirne
geheimnißvoll, ihre Naſe auſſerordentlich
ſchön, und der Mund, ob er ſchon für ihr
Alter zu ſehr geſchloſſen ſchien, und ſie manch¬
mal mit den Lippen nach einer Seite zuckte,
noch immer treuherzig und reizend genug.
Ihre bräunliche Geſichtsfarbe konnte man
durch die Schminke kaum erkennen. Dieſe
Geſtalt prägte ſich Wilhelmen ſehr tief ein;
er ſah ſie noch immer an, ſchwieg und ver¬
gaß der Gegenwärtigen über ſeinen Betrach¬
tungen. Philine weckte ihn aus ſeinem Halb¬
traume, indem ſie dem Kinde etwas übrigge¬
bliebenes Zuckerwerk reichte, und ihm ein
Zeichen gab, ſich zu entfernen. Es machte
ſeinen Bückling, wie oben, und fuhr blitz¬
ſchnell zur Thüre hinaus.

Die Zeit kam nunmehr herbey, daß unſe¬
re neue Bekannten ſich für dieſen Abend

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[245/0253] gehaltenen ankündigten. Ihre Bildung war nicht regelmäßig aber auffallend; ihre Stirne geheimnißvoll, ihre Naſe auſſerordentlich ſchön, und der Mund, ob er ſchon für ihr Alter zu ſehr geſchloſſen ſchien, und ſie manch¬ mal mit den Lippen nach einer Seite zuckte, noch immer treuherzig und reizend genug. Ihre bräunliche Geſichtsfarbe konnte man durch die Schminke kaum erkennen. Dieſe Geſtalt prägte ſich Wilhelmen ſehr tief ein; er ſah ſie noch immer an, ſchwieg und ver¬ gaß der Gegenwärtigen über ſeinen Betrach¬ tungen. Philine weckte ihn aus ſeinem Halb¬ traume, indem ſie dem Kinde etwas übrigge¬ bliebenes Zuckerwerk reichte, und ihm ein Zeichen gab, ſich zu entfernen. Es machte ſeinen Bückling, wie oben, und fuhr blitz¬ ſchnell zur Thüre hinaus. Die Zeit kam nunmehr herbey, daß unſe¬ re neue Bekannten ſich für dieſen Abend

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/253>, abgerufen am 22.11.2024.