gehaltenen ankündigten. Ihre Bildung war nicht regelmäßig aber auffallend; ihre Stirne geheimnißvoll, ihre Nase ausserordentlich schön, und der Mund, ob er schon für ihr Alter zu sehr geschlossen schien, und sie manch¬ mal mit den Lippen nach einer Seite zuckte, noch immer treuherzig und reizend genug. Ihre bräunliche Gesichtsfarbe konnte man durch die Schminke kaum erkennen. Diese Gestalt prägte sich Wilhelmen sehr tief ein; er sah sie noch immer an, schwieg und ver¬ gaß der Gegenwärtigen über seinen Betrach¬ tungen. Philine weckte ihn aus seinem Halb¬ traume, indem sie dem Kinde etwas übrigge¬ bliebenes Zuckerwerk reichte, und ihm ein Zeichen gab, sich zu entfernen. Es machte seinen Bückling, wie oben, und fuhr blitz¬ schnell zur Thüre hinaus.
Die Zeit kam nunmehr herbey, daß unse¬ re neue Bekannten sich für diesen Abend
gehaltenen ankündigten. Ihre Bildung war nicht regelmäßig aber auffallend; ihre Stirne geheimnißvoll, ihre Naſe auſſerordentlich ſchön, und der Mund, ob er ſchon für ihr Alter zu ſehr geſchloſſen ſchien, und ſie manch¬ mal mit den Lippen nach einer Seite zuckte, noch immer treuherzig und reizend genug. Ihre bräunliche Geſichtsfarbe konnte man durch die Schminke kaum erkennen. Dieſe Geſtalt prägte ſich Wilhelmen ſehr tief ein; er ſah ſie noch immer an, ſchwieg und ver¬ gaß der Gegenwärtigen über ſeinen Betrach¬ tungen. Philine weckte ihn aus ſeinem Halb¬ traume, indem ſie dem Kinde etwas übrigge¬ bliebenes Zuckerwerk reichte, und ihm ein Zeichen gab, ſich zu entfernen. Es machte ſeinen Bückling, wie oben, und fuhr blitz¬ ſchnell zur Thüre hinaus.
Die Zeit kam nunmehr herbey, daß unſe¬ re neue Bekannten ſich für dieſen Abend
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0253"n="245"/>
gehaltenen ankündigten. Ihre Bildung war<lb/>
nicht regelmäßig aber auffallend; ihre Stirne<lb/>
geheimnißvoll, ihre Naſe auſſerordentlich<lb/>ſchön, und der Mund, ob er ſchon für ihr<lb/>
Alter zu ſehr geſchloſſen ſchien, und ſie manch¬<lb/>
mal mit den Lippen nach einer Seite zuckte,<lb/>
noch immer treuherzig und reizend genug.<lb/>
Ihre bräunliche Geſichtsfarbe konnte man<lb/>
durch die Schminke kaum erkennen. Dieſe<lb/>
Geſtalt prägte ſich Wilhelmen ſehr tief ein;<lb/>
er ſah ſie noch immer an, ſchwieg und ver¬<lb/>
gaß der Gegenwärtigen über ſeinen Betrach¬<lb/>
tungen. Philine weckte ihn aus ſeinem Halb¬<lb/>
traume, indem ſie dem Kinde etwas übrigge¬<lb/>
bliebenes Zuckerwerk reichte, und ihm ein<lb/>
Zeichen gab, ſich zu entfernen. Es machte<lb/>ſeinen Bückling, wie oben, und fuhr blitz¬<lb/>ſchnell zur Thüre hinaus.</p><lb/><p>Die Zeit kam nunmehr herbey, daß unſe¬<lb/>
re neue Bekannten ſich für dieſen Abend<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[245/0253]
gehaltenen ankündigten. Ihre Bildung war
nicht regelmäßig aber auffallend; ihre Stirne
geheimnißvoll, ihre Naſe auſſerordentlich
ſchön, und der Mund, ob er ſchon für ihr
Alter zu ſehr geſchloſſen ſchien, und ſie manch¬
mal mit den Lippen nach einer Seite zuckte,
noch immer treuherzig und reizend genug.
Ihre bräunliche Geſichtsfarbe konnte man
durch die Schminke kaum erkennen. Dieſe
Geſtalt prägte ſich Wilhelmen ſehr tief ein;
er ſah ſie noch immer an, ſchwieg und ver¬
gaß der Gegenwärtigen über ſeinen Betrach¬
tungen. Philine weckte ihn aus ſeinem Halb¬
traume, indem ſie dem Kinde etwas übrigge¬
bliebenes Zuckerwerk reichte, und ihm ein
Zeichen gab, ſich zu entfernen. Es machte
ſeinen Bückling, wie oben, und fuhr blitz¬
ſchnell zur Thüre hinaus.
Die Zeit kam nunmehr herbey, daß unſe¬
re neue Bekannten ſich für dieſen Abend
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/253>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.