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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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und Wilhelm verstand nun erst, warum das
leichtfertige, in ihren Ausdrücken selten erha¬
bene Mädchen den Knaben der Sonne ver¬
glichen. Denn um die offnen braunen Au¬
gen und das volle Gesicht kräuselten sich die
schönsten goldnen Locken, an einer blendend
weißen Stirne zeigten sich zarte dunkle sanft¬
gebogene Augenbraunen, und die lebhafte
Farbe der Gesundheit glänzte auf seinen
Wangen. Setzen Sie sich zu mir, sagte Au¬
relie, Sie sehen das glückliche Kind mit Ver¬
wundrung an; gewiß, ich habe es mit Freu¬
den auf meine Arme genommen, ich bewahre
es mit Sorgfalt; nur kann ich auch recht
an ihm den Grad meiner Schmerzen erken¬
nen, weil ich den Werth einer solchen Gabe
nur selten empfinde.

Erlauben Sie mir, fuhr sie fort, daß ich
nun auch von mir und meinem Schicksale
rede; denn es ist mir sehr daran gelegen, daß

und Wilhelm verſtand nun erſt, warum das
leichtfertige, in ihren Ausdrücken ſelten erha¬
bene Mädchen den Knaben der Sonne ver¬
glichen. Denn um die offnen braunen Au¬
gen und das volle Geſicht kräuſelten ſich die
ſchönſten goldnen Locken, an einer blendend
weißen Stirne zeigten ſich zarte dunkle ſanft¬
gebogene Augenbraunen, und die lebhafte
Farbe der Geſundheit glänzte auf ſeinen
Wangen. Setzen Sie ſich zu mir, ſagte Au¬
relie, Sie ſehen das glückliche Kind mit Ver¬
wundrung an; gewiß, ich habe es mit Freu¬
den auf meine Arme genommen, ich bewahre
es mit Sorgfalt; nur kann ich auch recht
an ihm den Grad meiner Schmerzen erken¬
nen, weil ich den Werth einer ſolchen Gabe
nur ſelten empfinde.

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nun auch von mir und meinem Schickſale
rede; denn es iſt mir ſehr daran gelegen, daß

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[295/0304] und Wilhelm verſtand nun erſt, warum das leichtfertige, in ihren Ausdrücken ſelten erha¬ bene Mädchen den Knaben der Sonne ver¬ glichen. Denn um die offnen braunen Au¬ gen und das volle Geſicht kräuſelten ſich die ſchönſten goldnen Locken, an einer blendend weißen Stirne zeigten ſich zarte dunkle ſanft¬ gebogene Augenbraunen, und die lebhafte Farbe der Geſundheit glänzte auf ſeinen Wangen. Setzen Sie ſich zu mir, ſagte Au¬ relie, Sie ſehen das glückliche Kind mit Ver¬ wundrung an; gewiß, ich habe es mit Freu¬ den auf meine Arme genommen, ich bewahre es mit Sorgfalt; nur kann ich auch recht an ihm den Grad meiner Schmerzen erken¬ nen, weil ich den Werth einer ſolchen Gabe nur ſelten empfinde. Erlauben Sie mir, fuhr ſie fort, daß ich nun auch von mir und meinem Schickſale rede; denn es iſt mir ſehr daran gelegen, daß

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/304>, abgerufen am 23.11.2024.