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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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Der Wind blies durch das hohe Thor, und
grauerlich waren die alten Thürme und Höfe,
wovon sie kaum die Gestalten in der Finster¬
niß unterschieden. Sie froren und schauer¬
ten, die Frauen fürchteten sich, die Kinder
fingen an zu weinen, ihre Ungeduld vermehr¬
te sich mit jedem Augenblicke, und ein so
schneller Glückswechsel, auf den niemand vor¬
bereitet war, brachte sie alle ganz und gar
aus der Fassung.

Da sie jeden Augenblick erwarteten, daß
jemand kommen und ihnen aufschließen wer¬
de, da bald Regen bald Sturm sie täuschte,
und sie mehr als einmal den Tritt des er¬
wünschten Schloßvoigts zu hören glaubten,
blieben sie eine lange Zeit unmuthig und
unthätig, es fiel keinem ein, in das neue
Schloß zu gehen, und dort mitleidige Seelen
um Hülfe anzurufen. Sie konnten nicht be¬
greifen, wo ihr Freund, der Baron, geblie¬

Der Wind blies durch das hohe Thor, und
grauerlich waren die alten Thürme und Höfe,
wovon ſie kaum die Geſtalten in der Finſter¬
niß unterſchieden. Sie froren und ſchauer¬
ten, die Frauen fürchteten ſich, die Kinder
fingen an zu weinen, ihre Ungeduld vermehr¬
te ſich mit jedem Augenblicke, und ein ſo
ſchneller Glückswechſel, auf den niemand vor¬
bereitet war, brachte ſie alle ganz und gar
aus der Faſſung.

Da ſie jeden Augenblick erwarteten, daß
jemand kommen und ihnen aufſchließen wer¬
de, da bald Regen bald Sturm ſie täuſchte,
und ſie mehr als einmal den Tritt des er¬
wünſchten Schloßvoigts zu hören glaubten,
blieben ſie eine lange Zeit unmuthig und
unthätig, es fiel keinem ein, in das neue
Schloß zu gehen, und dort mitleidige Seelen
um Hülfe anzurufen. Sie konnten nicht be¬
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[42/0050] Der Wind blies durch das hohe Thor, und grauerlich waren die alten Thürme und Höfe, wovon ſie kaum die Geſtalten in der Finſter¬ niß unterſchieden. Sie froren und ſchauer¬ ten, die Frauen fürchteten ſich, die Kinder fingen an zu weinen, ihre Ungeduld vermehr¬ te ſich mit jedem Augenblicke, und ein ſo ſchneller Glückswechſel, auf den niemand vor¬ bereitet war, brachte ſie alle ganz und gar aus der Faſſung. Da ſie jeden Augenblick erwarteten, daß jemand kommen und ihnen aufſchließen wer¬ de, da bald Regen bald Sturm ſie täuſchte, und ſie mehr als einmal den Tritt des er¬ wünſchten Schloßvoigts zu hören glaubten, blieben ſie eine lange Zeit unmuthig und unthätig, es fiel keinem ein, in das neue Schloß zu gehen, und dort mitleidige Seelen um Hülfe anzurufen. Sie konnten nicht be¬ greifen, wo ihr Freund, der Baron, geblie¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/50>, abgerufen am 21.11.2024.