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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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erhielt die Rolle des Horatio; nur wegen
des Königs und des Geistes war man in
einiger Verlegenheit. Für beyde Rollen war
nur der alte Polterer da. Serlo schlug den
Pedanten zum Könige vor; wogegen Wil¬
helm aber aufs äußerste protestirte. Man
konnte sich nicht entschließen.

Ferner hatte Wilhelm in seinem Stücke
die beyden Rollen von Rosenkranz und Gül¬
denstern stehen lassen. Warum haben Sie
diese nicht in Eine verbunden? fragte Serlo,
diese Abbreviatur ist doch so leicht gemacht.

Gott bewahre mich vor solchen Verkür¬
zungen, die zugleich Sinn und Wirkung
aufheben, versetzte Wilhelm. Das was die¬
se beyden Menschen sind und thun, kann
nicht durch Einen vorgestellt werden. In
solchen Kleinigkeiten zeigt sich Shakespears
Größe. Dieses leise Auftreten, dieses Schmie¬
gen und Biegen, dies Ja sagen, Streicheln

erhielt die Rolle des Horatio; nur wegen
des Königs und des Geiſtes war man in
einiger Verlegenheit. Für beyde Rollen war
nur der alte Polterer da. Serlo ſchlug den
Pedanten zum Könige vor; wogegen Wil¬
helm aber aufs äußerſte proteſtirte. Man
konnte ſich nicht entſchließen.

Ferner hatte Wilhelm in ſeinem Stücke
die beyden Rollen von Roſenkranz und Gül¬
denſtern ſtehen laſſen. Warum haben Sie
dieſe nicht in Eine verbunden? fragte Serlo,
dieſe Abbreviatur iſt doch ſo leicht gemacht.

Gott bewahre mich vor ſolchen Verkür¬
zungen, die zugleich Sinn und Wirkung
aufheben, verſetzte Wilhelm. Das was die¬
ſe beyden Menſchen ſind und thun, kann
nicht durch Einen vorgeſtellt werden. In
ſolchen Kleinigkeiten zeigt ſich Shakeſpears
Größe. Dieſes leiſe Auftreten, dieſes Schmie¬
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[54/0060] erhielt die Rolle des Horatio; nur wegen des Königs und des Geiſtes war man in einiger Verlegenheit. Für beyde Rollen war nur der alte Polterer da. Serlo ſchlug den Pedanten zum Könige vor; wogegen Wil¬ helm aber aufs äußerſte proteſtirte. Man konnte ſich nicht entſchließen. Ferner hatte Wilhelm in ſeinem Stücke die beyden Rollen von Roſenkranz und Gül¬ denſtern ſtehen laſſen. Warum haben Sie dieſe nicht in Eine verbunden? fragte Serlo, dieſe Abbreviatur iſt doch ſo leicht gemacht. Gott bewahre mich vor ſolchen Verkür¬ zungen, die zugleich Sinn und Wirkung aufheben, verſetzte Wilhelm. Das was die¬ ſe beyden Menſchen ſind und thun, kann nicht durch Einen vorgeſtellt werden. In ſolchen Kleinigkeiten zeigt ſich Shakeſpears Größe. Dieſes leiſe Auftreten, dieſes Schmie¬ gen und Biegen, dies Ja ſagen, Streicheln

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/60>, abgerufen am 28.11.2024.