Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Therese schwieg, und legte auf ihres
neuen Freundes Hände ihre Hand, er küßte
sie mit Theilnehmung, sie trocknete ihre Thrä¬
nen, und stand auf. Lassen Sie uns zurück ge¬
hen, sagte sie, und für die Unsrigen sorgen!

Das Gespräch auf dem Wege war nicht
lebhaft; sie kamen zur Gartenthüre herein,
und sahen Lydien auf einer Bank sitzen, sie
stand auf, wich ihnen aus, und begab sich
ins Haus zurück, sie hatte ein Papier in der
Hand, und zwey kleine Mädchen waren bey
ihr. Ich sehe, sagte Therese, sie trägt ihren
einzigen Trost, den Brief Lothario's, noch
immer bey sich, ihr Freund verspricht ihr,
daß sie gleich, sobald er sich wohl befindet,
wieder an seiner Seite leben soll, er bittet
sie, so lange ruhig bey mir zu verweilen. An
diesen Worten hängt sie, mit diesen Zeilen
tröstet sie sich, aber seine Freunde sind übel
bey ihr angeschrieben.

Thereſe ſchwieg, und legte auf ihres
neuen Freundes Hände ihre Hand, er küßte
ſie mit Theilnehmung, ſie trocknete ihre Thrä¬
nen, und ſtand auf. Laſſen Sie uns zurück ge¬
hen, ſagte ſie, und für die Unſrigen ſorgen!

Das Geſpräch auf dem Wege war nicht
lebhaft; ſie kamen zur Gartenthüre herein,
und ſahen Lydien auf einer Bank ſitzen, ſie
ſtand auf, wich ihnen aus, und begab ſich
ins Haus zurück, ſie hatte ein Papier in der
Hand, und zwey kleine Mädchen waren bey
ihr. Ich ſehe, ſagte Thereſe, ſie trägt ihren
einzigen Troſt, den Brief Lothario’s, noch
immer bey ſich, ihr Freund verſpricht ihr,
daß ſie gleich, ſobald er ſich wohl befindet,
wieder an ſeiner Seite leben ſoll, er bittet
ſie, ſo lange ruhig bey mir zu verweilen. An
dieſen Worten hängt ſie, mit dieſen Zeilen
tröſtet ſie ſich, aber ſeine Freunde ſind übel
bey ihr angeſchrieben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0110" n="106"/>
            <p>There&#x017F;e &#x017F;chwieg, und legte auf ihres<lb/>
neuen Freundes Hände ihre Hand, er küßte<lb/>
&#x017F;ie mit Theilnehmung, &#x017F;ie trocknete ihre Thrä¬<lb/>
nen, und &#x017F;tand auf. La&#x017F;&#x017F;en Sie uns zurück ge¬<lb/>
hen, &#x017F;agte &#x017F;ie, und für die Un&#x017F;rigen &#x017F;orgen!</p><lb/>
            <p>Das Ge&#x017F;präch auf dem Wege war nicht<lb/>
lebhaft; &#x017F;ie kamen zur Gartenthüre herein,<lb/>
und &#x017F;ahen Lydien auf einer Bank &#x017F;itzen, &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;tand auf, wich ihnen aus, und begab &#x017F;ich<lb/>
ins Haus zurück, &#x017F;ie hatte ein Papier in der<lb/>
Hand, und zwey kleine Mädchen waren bey<lb/>
ihr. Ich &#x017F;ehe, &#x017F;agte There&#x017F;e, &#x017F;ie trägt ihren<lb/>
einzigen Tro&#x017F;t, den Brief Lothario&#x2019;s, noch<lb/>
immer bey &#x017F;ich, ihr Freund ver&#x017F;pricht ihr,<lb/>
daß &#x017F;ie gleich, &#x017F;obald er &#x017F;ich wohl befindet,<lb/>
wieder an &#x017F;einer Seite leben &#x017F;oll, er bittet<lb/>
&#x017F;ie, &#x017F;o lange ruhig bey mir zu verweilen. An<lb/>
die&#x017F;en Worten hängt &#x017F;ie, mit die&#x017F;en Zeilen<lb/>
trö&#x017F;tet &#x017F;ie &#x017F;ich, aber &#x017F;eine Freunde &#x017F;ind übel<lb/>
bey ihr ange&#x017F;chrieben.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0110] Thereſe ſchwieg, und legte auf ihres neuen Freundes Hände ihre Hand, er küßte ſie mit Theilnehmung, ſie trocknete ihre Thrä¬ nen, und ſtand auf. Laſſen Sie uns zurück ge¬ hen, ſagte ſie, und für die Unſrigen ſorgen! Das Geſpräch auf dem Wege war nicht lebhaft; ſie kamen zur Gartenthüre herein, und ſahen Lydien auf einer Bank ſitzen, ſie ſtand auf, wich ihnen aus, und begab ſich ins Haus zurück, ſie hatte ein Papier in der Hand, und zwey kleine Mädchen waren bey ihr. Ich ſehe, ſagte Thereſe, ſie trägt ihren einzigen Troſt, den Brief Lothario’s, noch immer bey ſich, ihr Freund verſpricht ihr, daß ſie gleich, ſobald er ſich wohl befindet, wieder an ſeiner Seite leben ſoll, er bittet ſie, ſo lange ruhig bey mir zu verweilen. An dieſen Worten hängt ſie, mit dieſen Zeilen tröſtet ſie ſich, aber ſeine Freunde ſind übel bey ihr angeſchrieben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/110
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/110>, abgerufen am 26.05.2024.