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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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daß ihn sein vorübergehendes Verhältnis zu
ihr auf ewig schmerzen werde; er war sehr
zufrieden, daß Therese das Gespräch nicht
fortsetzte, und daß ihre Geschäfte sie in das
Haus zurück zu gehen nöthigten. Er befand
sich nun allein, und die letzte Nachricht, daß
die junge, schöne Gräfin auch schon genö¬
thigt sey durch Wohlthätigkeit den Mangel
an eignem Glück zu ersetzen, machte ihn
äußerst traurig, er fühlte, daß es bey ihr
nur eine Nothwendigkeit war sich zu zer¬
streuen, und an die Stelle eines frohen Le¬
bensgenusses die Hoffnung fremder Glückse¬
ligkeit zu setzen. Er pries Theresen glücklich,
daß selbst bey jener unerwarteten traurigen
Veränderung keine Veränderung in ihr selbst
vorzugehen brauchte. Wie glücklich ist der
über alles! rief er aus, der, um sich mit
dem Schicksal in Einigkeit zu setzen, nicht

daß ihn ſein vorübergehendes Verhältnis zu
ihr auf ewig ſchmerzen werde; er war ſehr
zufrieden, daß Thereſe das Geſpräch nicht
fortſetzte, und daß ihre Geſchäfte ſie in das
Haus zurück zu gehen nöthigten. Er befand
ſich nun allein, und die letzte Nachricht, daß
die junge, ſchöne Gräfin auch ſchon genö¬
thigt ſey durch Wohlthätigkeit den Mangel
an eignem Glück zu erſetzen, machte ihn
äußerſt traurig, er fühlte, daß es bey ihr
nur eine Nothwendigkeit war ſich zu zer¬
ſtreuen, und an die Stelle eines frohen Le¬
bensgenuſſes die Hoffnung fremder Glückſe¬
ligkeit zu ſetzen. Er pries Thereſen glücklich,
daß ſelbſt bey jener unerwarteten traurigen
Veränderung keine Veränderung in ihr ſelbſt
vorzugehen brauchte. Wie glücklich iſt der
über alles! rief er aus, der, um ſich mit
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[108/0112] daß ihn ſein vorübergehendes Verhältnis zu ihr auf ewig ſchmerzen werde; er war ſehr zufrieden, daß Thereſe das Geſpräch nicht fortſetzte, und daß ihre Geſchäfte ſie in das Haus zurück zu gehen nöthigten. Er befand ſich nun allein, und die letzte Nachricht, daß die junge, ſchöne Gräfin auch ſchon genö¬ thigt ſey durch Wohlthätigkeit den Mangel an eignem Glück zu erſetzen, machte ihn äußerſt traurig, er fühlte, daß es bey ihr nur eine Nothwendigkeit war ſich zu zer¬ ſtreuen, und an die Stelle eines frohen Le¬ bensgenuſſes die Hoffnung fremder Glückſe¬ ligkeit zu ſetzen. Er pries Thereſen glücklich, daß ſelbſt bey jener unerwarteten traurigen Veränderung keine Veränderung in ihr ſelbſt vorzugehen brauchte. Wie glücklich iſt der über alles! rief er aus, der, um ſich mit dem Schickſal in Einigkeit zu ſetzen, nicht

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/112>, abgerufen am 21.11.2024.